Bevor der Euro kommt Bevor der Euro kommt: Sparen für «Kronjuwelen»
Dessau/MZ. - Er habe sich die neuen Pfennige schon angesehen, meint Hans Leichsenring und holt die kleine Geldbörse mit Euro und Euro-Cent nochmals vor. Mark und Pfennig, das werde er wohl noch oft sagen, vermutet der 93-Jährige. Die Wörter sind so drin. Ob nun aus Zeiten der Reichsmark oder aus DDR-Zeiten.
Wie viele Währungsumstellungen das Paar, das seit 70 Jahren verheiratet ist, mitgemacht hat, darüber denkt Hans Leichsenring nicht nach. "Wir mussten eben immer mit dem Geld auskommen", sagt er. Ob es nun wenig war oder mehr.
Als er nach der Ausbildung zum Schlosser für zwei Jahre arbeitslos war, hatte er elf Mark pro Woche in der Tasche, später in der Papierfabrik waren es 23. Da habe es zwar alles zu kaufen gegeben, erinnert er sich, aber dafür fehlte ihnen das Geld. Immerhin hatte das junge Paar, das in Raguhn lebte, bereits einen Sohn. "Gestaunt habe ich bei Junkers", setzt Leichsenring die Aufzählung seiner Arbeitsstellen fort. "Da hatte ich schönes Geld", überlegt er und spricht von 50 Mark. Ab 1938 war er in der Filmfabrik Wolfen tätig. 35 Jahre lang, betont Leichsenring. Als er in Rente ging, habe es noch einmal 500 Mark Abfindung erhalten, erzählt er.
Von jeher hat er die Lohntüte seiner Frau auf den Tisch gepackt und Elli Leichsenring verwaltete das Geld. "Wir waren ja damals jung gewesen", blickt sie auf die schwierigen Jahre zurück. "Da hat man das nicht so gesehen." Die gelernte Weißnäherin hat meist bei Bauern geholfen, so dass sie einigermaßen ein Auskommen hatten. Erst bei der Anrechnung der Arbeitsjahre für die Rente habe sich das negativ ausgewirkt.
"Wir haben sogar mal mit Billionen Mark gerechnet", bezieht sich Hans Leichsenring auf die Inflation. "Mit einem Sack voller Geldscheine bin ich da losgezogen", erzählt er. Früh wurde der Lohn ausgezahlt. "Und abends haste nicht mal mehr ''ne Semmel dafür gekriegt." Erst die Reichsmark habe diesem Schwund ein Ende bereitet, "aber da hatten wir kein Geld mehr." Ebenfalls ohne Finanzen standen Leichsenrings nach dem Kriegsende da. "Da haben wir wieder alles verloren", stellt der 93-Jährige fest. "Unser bisschen Gespartes war wieder weg." Im Gedächtnis geblieben ist ihm außerdem, dass es noch bis 1958 Marken gegeben hat. Trotzdem hungerte die Familie in Raguhn nicht. Sie half sich mit Schweinen, Kaninchen und Hühnern über die Runden. Danach habe es wieder alles zu kaufen gegeben, meint Leichsenring. Üppig hätten sie deshalb zwar auch nicht leben können.
Zufrieden schaut das Ehepaar auf die Währungsumstellung 1990 zurück. Davor hätten sie keine Angst gehabt, sagt Elli Leichsenring. Das Geld tauschte die Familie komplett auf der Sparkasse um, die Renten wurden bundesdeutschen Verhältnissen angepasst. Ähnlich werde es jetzt, vermuten beide. Die Sparkasse rechnet um und einen Sparstrumpf hat das Paar nie gehabt. Die paar Mark, die sie noch zu Hause haben, "die gebe ich bis zum 28. Februar schon noch aus", ist sich Hans Leichsenring sicher.
Kleine Einkäufe im Laden um die Ecke erledigt der Rentner noch selbst. Ansonsten versorgen ihn sein Sohn und dessen Frau. Die beiden, die schon seit 72 Jahren zusammen leben, sind inzwischen nicht mehr gut zu Fuß. An manchen Tagen kämen sie ja kaum die Treppe runter, bedauert Elli Leichsenring, könnten nicht zu Seniorentreffen. Doch in ihrer Dessauer Wohnung in der dritten Etage wollen sie bleiben. Mitte der 80er Jahre, als sie in Raguhn ihr Haus verkaufen wollten, war keine andere zu bekommen. Jetzt hängen sie daran, auch wenn ihre Nachbarn, mit denen sie befreundet waren, mittlerweile nicht mehr da sind.
"Da ist unsere größte Sorge, dass wir gesund bleiben", wünscht sich Elli Leichsenring. Lachend fügt sie hinzu. "Die Euros sparen wir für die Kronjuwelenhochzeit."