Betriebsjubiläum in Roßlau Betriebsjubiläum in Roßlau: Wo der Chef noch selbst fährt

Rosslau - Im Firmensitz in der Bernsdorfer Straße von Roßlau wehen seit kurzem zwei Fahnen. Die eine ist die der Schifferstadt, in der Andreas Thauer (O-Ton: „Ich bin mit Leib und Seele Roßlauer“) aufgewachsen ist. Die andere erinnert an die eigene Geschichte. Andreas Thauer war Berufskraftfahrer. Schon vor der Wende wollte er sich mit einem Lkw selbstständig machen. Das habe den damals Regierenden nicht gefallen. Erst müsse er einen Lkw vorweisen, erinnert er sich. Und als der Laster dann in Sicht war, offenbarte man ihm, dass das Dieselkontingent für den Kreis Roßlau längst ausgeschöpft war.
Als die politische Wende kam, war Thauer 30 Jahre alt. In der neu hinzugewonnenen Freiheit hat er dann Gas gegeben. Zum Geburtstag am 17. Juli 1990 war er samt Laster auf den Weg nach Westberlin, um für einen hiesigen Tischlereibetrieb eine neue Hobelmaschine abzuholen. Es war seine erste Fahrt als Unternehmer.
Die Firma Thauer-Transporte ist im Juli 2015 25 Jahre auf dem Markt. Zur doppelten Geburtstagsfeier - Thauers Geburtstag fällt mit der ersten eigenen Tour auf einen Tag - gab es selbst von Ministerpräsident Reiner Haseloff Glückwünsche. „Das ist ein cooler Typ“, schwärmt Thauer im Nachhinein noch über den CDU-Landespolitiker, zu dessen Wahlkreis Roßlau gehört. Thauer stinkt als Kraftfahrer, dass die Politik über die Verlängerung der B6n über die A9 hinaus nachdenke, statt in die Ortsumfahrten zwischen Roßlau und Wittenberg zu investieren. Thauer stinkt aber auch schon lange, dass die Politik in große Industrieunternehmen investiert, Mittelständler wie ihn jedoch nicht unterstützt werden. Was die Folgen dieser Politik sind, zeigt er anhand von Q-Cells auf. „Das Fördergeld ist futsch. Wir dagegen schaffen Arbeitsplätze und bekommen nichts.“ Das alles, so sagt er, musste er mal los werden.
Im Umkreis von einigen Hundert Kilometern sind Thauers Fahrzeuge Tag für Tag unterwegs. Sein Hautauftraggeber ist die Coswiger Wellpappe, die er letztlich an die jeweiligen Bestimmungsorte transportiert. Früher wurden auch Häuslebauer von der Roßlauer Firma bedient - Kies, Sand und Schüttgüter sind dann geladen worden. Das sei heute nur noch selten der Fall.
Insgesamt stehen heute zwölf Fahrzeuge zur Verfügung. Jumbo-Züge, Sattelzüge und Kleintransporter rollen für die Wellpappe und weitere Unternehmen. Doch auch mehrere Oldtimer (zum Angucken) gehören zur „Armada“. Einer davon, ein Garant, ist zugelassen und fährt beim jährlichen Schifferfest mit.
Thauer fährt als Chef selbst noch Touren
Andreas Thauer ist ein außergewöhnlicher Unternehmer. Denn der Chef selbst sitzt kaum im Büro und bekennt frei heraus, er sei kein Büromensch. Smartphone und Internet machen möglich, dass er noch immer täglich auf dem Bock sitzt und Touren erledigt und von dort aus Absprachen trifft. Um die Stunde Bürozeit nach getaner Arbeit kommt er aber dennoch nicht herum.
Die 25 Jahre Selbstständigkeit, so bilanziert der 55-Jährige heute, waren nicht das reinste Zuckerschlecken. So bekam das Transportunternehmen die Wirtschaftskrise deutlich zu spüren. Es war die Zeit, da keine Bank mit Krediten aushalf und die Aufträge knapp waren. Um zu überleben, musste Thauer vorübergehend Fahrzeuge still legen und sich von Mitarbeitern trennen. „Dass war eine schmerzliche Entscheidung“, bilanziert er und weiß, es war nicht das erste Mal, dass er in seinem Leben durch ein tiefes Tal gehen musste.
1990 hatte er für sich und seine Frau begonnen, die Existenz aufzubauen. Vier Jahre später musste er plötzlich für sich und seine zwei kleinen Kinder einstehen. „Den Tod meiner Frau werde ich nie vergessen.“
Zwölf Mitarbeiter zählt inzwischen wieder das Unternehmen. Die Lebenspartnerin hilft bei Büroarbeiten. „Ich hab jetzt die beste Crew, die ich je hatte“, sagt Thauer für die berufliche Familie, „die mitdenkt und vieles selbstständig regelt“.
Den Lohn für sein Vertrauen in die Mitarbeiterschaft, den hat Andreas Thauer übrigens zum Jubiläum ernten können. Die Thauer-Fahne ist nur ein Geschenk. Inzwischen gibt es Tassen mit einer eingebrannten Erinnerung an das Betriebsjubiläum, ein Video, auf dem Mitarbeiter von den Fahrerkabinen ihrer Fahrzeuge aus dem Chef gratulierten. Es gab als Geschenk zum Fest u.a. ein Feuerwerk. Der MCC unterhielt das Fest mit 80 Gästen (Freunde, Geschäftspartner, Familie, Mitarbeiter). Und nach dem Treffen mit Haseloff weiß Andreas Thauer auch, dass zumindest der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts nicht über die Verlängerung der B6n ab der A9 in die Dübener Heide nachdenkt. „Das ist gut so“, sagt er. (mz)