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Besuch in einer anderen Zeit

Von Grit Lichtblau 29.04.2007, 16:41

Roßlau/MZ. - Männer und Frauen in Leinengewändern, mit Schuhen, deren Spitzen seltsam nach oben gebogen sind, unterhalten sich, trinken schwarzen Kaffee aus kleinen Bechern oder Bier aus Krügen. Mittelalterspektakel auf der Roßlauer Wasserburg.

Es ist ganz so, als ob man mit dem Bezahlen des Eintrittes in eine andere Welt eintaucht. Eine Welt, in der Zeit relativ ist, in der Scharlatane zu Hause sind, schwarze Ritter sich bekämpfen, seltsame Fabelwesen auftreten, Stelzenhexe Baba für Unruhe sorgt. Seit Samstag und noch bis Dienstag lockt die Burg Roßlau unzählige Gäste aus nah und fern.

Gleich am Eingang empfängt Banban, der stärkste Mann der Welt, kleine wie große Besucher. Sein kleinstes Riesenrad der Welt ist ein Nachbau aus dem 16. Jahrhundert und braucht vor allem eines: viel Muskelkraft. Fast das ganze Jahr über ist der Mann aus Limburg an der Lahn mit Gleichgesinnten auf Mittelaltermärkten in ganz Deutschland unterwegs. Von seiner Roßlauer Premiere ist er angetan. Eine angenehme Atmosphäre bescheinigt er dem Spektakel, das durch die Burgkulisse noch authentischer wird.

Während Banban die Silberlinge in seine Tasche steckt und dafür erneut ordentlich kurbeln muss, sitzt "Frau Sonnenschein" inmitten bunter Hemden, Blusen und Kleidern. Historische Hemdenhökerei steht auf dem kleinen Schild. Verhökert wird hier nichts - doch immer mehr Kunden würden die wunderbaren Eigenschaften eines Leinenhemdes zu schätzen wissen, erzählt Frau Sonnenschein.

Gerd Friedrich hat es sich auf einem Stuhl im Schatten eines großen Baumes bequem gemacht. Er ist der "Chef" eines kleinen "Kaufhauses". In dem gibt es neben Bekleidung und Schmuck auch einen Tischler, der unter anderem Ritterspielzeuge für den Nachwuchs schnitzt. Für Gerd Friedrich ist es eine Berufung, wie er sagt. Das Mittelalter war für ihn eine Zeit in der "alles ein bisschen langsamer war".

Einige Besucher haben es sich auf der Wiese bequem gemacht, erzählen, scherzen lauschen den Spielleuten auf der Bühne. Ein kleiner Junge bleibt neugierig vor dem Schild "Eierknacker" stehen. In einer Vertiefung, die in einen Baumstamm geschnitzt wurde, liegt ein Ei. Der Junge zahlt zwei Silberlinge, dann darf er mit Kugeln nach den Eiern werfen. Und tatsächlich - zwei Mal wird aus dem hart gekochten Ei Matsch.

Hans ist erstaunt über so viel Treffsicherheit. Hans kommt ebenfalls aus Limburg an der Lahn, zieht mit seinem Spiel seit gut einem Jahr mit Mittelaltermärkten durch die Lande. Solche Spiel wurden damals bei Hofe veranstaltet, erklärt er den historischen Hintergrund. Mit dem Unterschied, dass damals mit Steinen und nicht mit Kugeln geworfen wurde, und das vielleicht die Belohnung für die Treffsicherheit eine andere war. Der kleine Junge jedenfalls bekommt ein paar "Edelsteine". Die sollen ihm Glück bringen. Vielleicht beim Mäuseroulette. Wie in einer Arena sind die kleinen Häuschen mit den offenen Türen angeordnete. Auf jedes Haus darf gesetzt werden. Dann kommt sie, die kleine schwarze Maus, schaut, stellt sich auf die Hinterbeine, schnuppert hier an der offenen Tür, geht vorbei. Sie lässt sich Zeit. Doch dann verschwindet sie ganz plötzlich doch in einem der Eingänge. Lange Gesichter bei den Kindern, ausgerechnet dort hatten sie ihre Münzen nicht abgelegt. Also nichts gewonnen, dafür gibt es erneut Glück bringenden Edelsteine.

Der Klang der Trommel ruft. Norbert Kleim hat seinen Stand am anderen Ende des Burggeländes an der Scheune aufgebaut. Überall hängen Trommeln, große wie kleine. Fast alle hat er selber gebaut. Ein Jahr dauert es bis so eine Trommel fertig sei, erklärt er. Die unterschiedlichen Klänge würden durch die verschiedenen Tierhäute erzeugt, beantwortet er Fragen interessierter Besucher. Und tatsächlich, die Trommel mit der Ziegenhaut klingt mit ein wenig Phantasie wie eine meckernde Ziege, der Hirsch röhrt ein wenig.

Dann ertönt aus dem Burginnenhof Geschrei. Zwei Ritter kämpfen mit Lanze und Schwert, umringt von zahlreichen Zuschauern. Die sind begeistert: "Ich könnte hier stundenlang herumlaufen, den Handwerkern über die Schultern schauen. Ein tolles Spektakel", erzählt begeistert ein Mann.

Am Montagabend sind die Gruppen Cradem Adventure (rhythmische Musik auf historischen Instrumenten) und Down Below (Dark Rock) an der Burg zu erleben.