Erinnerung am 9. November Besonderes Gedenken im November: Stadtarchiv in Dessau erinnert an jüdischen Künstler Alfred Tokayer
Wie ein Projekt der Freien Schule Anhalts von Köthen nach Dessau zu einem lange vergessenen Komponisten führte. Ausstellung im Stadtarchiv erinnert an jüdischen Künstler Alfred Tokayer.
Dessau-Rosslau/MZ. - Der November ist in Deutschland reich an religiösen und geschichtlichen Gedenktagen. In der Stadt Dessau-Roßlau haben jetzt Politik, Verwaltung und Initiativen die Gedenkveranstaltungen vorgestellt - iim angemessenen Rahmen hinter den historischen Mauern des Stadtarchivs in der Langen Gasse.
In dessen Obergeschoss in der dritten Etage kündigt sich bereits die Sonderausstellung an, die die Stadt Dessau-Roßlau in Kooperation mit der Initiative „Lieder gegen das Vergessen“ gestaltet hat und die vom 5. bis 28. November zu sehen sein wird: „Auf den Spuren Alfred Tokayers“.
Weit verzweigte Familie mit Lebenlinie in der Muldestadt
Der 1900 in Köthen geborene Komponist und Dirigent entstammte der weit verzweigten jüdischen Familie Tokayer aus dem österreich-ungarischen Bistritz im heutigen Rumänien. Mit seinem Leben und Werk haben sich in der Bachstadt Köthen Mädchen und Jungen der Freien Schule Anhalt seit fast zwei Jahren in einem Projekt auseinandergesetzt. Und dabei auch angeklopft im Stadtarchiv von Dessau-Roßlau. Denn zwei Söhne der großen Familie haben Anfang des 20. Jahrhundert auch in Dessau Spuren hinterlassen.
Diese Fährte verfolgten Jana Müller vom hiesigen Stadtarchiv und die Köthener Projektleiterin Ines Schmiegel mit wachsender Faszination und Begeisterung. Was als erste Anfrage in Dessau nach historischen Geburtsnachweisen für einen Emil und einen Josef Tokayer begann, offenbarte sich in der anhaltischen Residenzstadt schließlich als ortsansässige Nebenlinie der Familie. So führten die Tokayers in Dessau mehrere renommierte Schuhläden, darunter sowohl in der Kavalierstraße als auch in der Zerbster Straße. Also in bester Lage für die allerbeste Kundschaft.
Auch der Komponist Alfred Tokayer war in den späteren 1920er Jahren in Dessau umtriebig unterwegs. So musizierte dieser nach seinem Musikstudium in Mainz und einem Intermezzo als Kapellmeister in der Hansestadt Bremen am Bauhaus Dessau mit der legendären Bauhaus-Kapelle. Ab 1931 versah Herbert Tokayer verschiedene Tätigkeiten und Auftritte in Berlin, ehe er nach der Machtergreifung der NSDAP unter Adolf Hitlers 1933 in Deutschland zunächst nach Frankreich floh.
Nach Verfolgung und Internierung wurde der jüdische Musiker 1943 in das Konzentrationslager im polnischen Sobibor deportiert und dort vermutlich kurz nach seiner Ankunft ermordet.
Gedenken in der Kirche, vor der Friedensglock und an der Stele vor der Synagoge
Aber Tokayers Musik erklingt nun wieder in Dessau. Das Programm unter dem Titel „Schuhe-Bauhaus-Musik - Familie Tokayer in Anhalt“ wird am 9. November ab 18 Uhr in der Marienkirche Dessau der Auftakt für die Gedenkveranstaltungen an die Novemberpogrome und den Holocaust. Erwartet werden auch Nachfahren der Familie aus Frankfurt/M. Gleichfalls am 9. November gedenkt die Stadt an der Friedensglocke um 16.45 Uhr des Mauerfalls vor 35 Jahren.
Das Gedenken an der Stele der Synagoge findet wegen des jüdischen Shabbat am 10. November um 14 Uhr statt.