Berufsschule Dessau Berufsschule Dessau: Geburtenknick ist inzwischen angekommen

Dessau/MZ - Ärger zum Beginn des neuen Berufsausbildungsjahres. Nicht jeder, der an der Berufsbildenden Schule „Hugo Junkers“ seine Ausbildung begonnen hat, kann sie dort auch fortsetzen. Beispielsweise die Auszubildenden zu Industriekaufmann/frau. So schildert Sophia Zwarg aus dem 3. Ausbildungsjahr in einem Schreiben an die MZ, dass die Klasse, weil zu klein geworden, für ein Jahr nach Wittenberg wechseln soll. „Das heißt für uns: neue Schüler, neue Lehrer ... da wir ja Lernfelder haben, kann es also sein, dass die Klasse in Wittenberg jetzt den Stoff behandelt, den wir schon behandelt haben. Es ist doch nicht fair, dass unser Abschluss vielleicht darunter leiden muss.“ Am Montag besuchten die Dessauer zum ersten Mal die Wittenberger Berufsschule. Und die Befürchtungen haben sich bestätigt. Es gäbe sehr viele gravierende Unterschiede. „Müssen wir nun gucken, wo wir bleiben?“, fragt sie besorgt.
Hans-Georg Baumbach, Leiter der BbS I im Berufsschulzentrum, kann den Ärger verstehen, doch ändern an der Situation kann er nichts. Es gibt vom Kultusministerium festgelegte Zahlen zur Klassenstärke, „und die sind einzuhalten“, sagt Baumbach. 15 Schüler mindestens müsse die Klasse im ersten Lehrjahr haben, nur wenig geringer dürfte die Klassenstärke im zweiten und dritten Lehrjahr sein. Nichtsdestotrotz habe er - nicht nur für die betroffene Klasse der Industriekaufleute - einen Antrag über das Landesschulamt beim Kultusministerium auf Ausnahmegenehmigung gestellt, „doch alle unsere Anträge sind negativ beschieden worden“.
Das Berufsschulzentrum „Hugo Junkers“ konzentriert im neu erbauten Komplex an der Junkersstraße die Berufsausbildung in Dessau-Roßlau. Hier sind zwei Berufsbildende Schulen (BbS) integriert. Junge Leute werden in den Fachrichtungen Bautechnik, Elektrotechnik, Ernährung und Hauswirtschaft, KfZ und Mechatronik, Farbtechnik und Raumgestaltung, Gartenbau und Floristik, Holztechnik, Körperpflege, Gesundheit, Metalltechnik, Sozialwesen, Wirtschaft und Verwaltung ausgebildet. Außerdem können Schüler am Fachgymnasium die allgemeine Hochschulreife erwerben.
Am 23. November findet, wie in jedem Jahr, der Tag der offenen Tür statt. Von 9 bis 12 Uhr gibt es u.a. umfassende Informationen zu den möglichen Bildungsgängen, Einblicke in die Schul- und Praxisräume, Beratung zu Schullaufbahnen und Informationen zu Aufnahmemodalitäten. (hth)
Eine Entscheidung, die die Schüler nicht nachvollziehen können, schließlich würden durch ein Fortbestehen der Klasse keinerlei Kosten für das Land anfallen. „Ganz im Gegenteil“, erklärt Sophia Zwarg, „durch eine Versetzung fällt nur unnötiger Papierkram an und für uns und unsere Betriebe entstehen haufenweise Nachteile. Bei den Nachteilen sprechen wir noch nicht mal davon, dass wir plötzlich zweimal die Woche 40 Minuten früher aufstehen und dann 40 Kilometer fahren müssen.“ Manche Schüler der Klasse wohnen sogar so weit weg, dass sie über anderthalb Stunden bis zur Wittenberger Berufsschule unterwegs sind. „Mir wäre es auch lieber, die Klasse könnte hier bleiben“, sagt Schulleiter Baumbach, „weil ich dann auch die Lehrer ordentlich einsetzen kann.“ Denn eine Abwanderung von Schülern bedeute auch ein Umplanen bei den Lehrkräften.
Trotzdem: am Problem der insgesamt rückläufigen Schülerzahlen kommt der Schulleiter der BbS I ebenso wenig vorbei wie sein Kollege Andreas Heide von der BbS II. „Der Geburtenknick ist an der Berufsschule angekommen“, sagt Heide. Die Entwicklung, die zuerst die Grundschulen, dann Sekundarschulen und Gymnasien betraf, ist nun voll in den Berufsschulen zu spüren. Das Problem, dass nicht jeder Schüler seine Ausbildung an der Berufsschule fortsetzen könne, an der er sie begonnen habe oder gerne beginnen wollte, „gibt es an jeder Berufsschule im Land“, weiß Heide. Zwischen den Schulen werden deshalb Lösungen gesucht, um die vom Kultusministerium geforderten Klassenstärken zu erreichen. Daher etwa werden nun Dessauer Holzbearbeiter in Halle beschult, zum Ausgleich kommen Baufacharbeiter aus Halle nach Dessau.
Auch in der BbS I gibt es solche bilateralen Lösungen, wie Hans-Georg Baumbach schildert. Die betreffen beispielsweise die Ausbildung im Gaststättengewerbe, bei den Friseuren oder Bäckern. Das erste Lehrjahr der Friseure werde mangels ausreichender Schülerzahlen in Dessau nun in Wittenberg beschult. Zum Ausgleich soll im kommenden Jahr das erste Friseurlehrjahr in Dessau starten. Weitere Wege zur Berufsschule müssen auch die Heilerziehungspfleger gehen, weil sie in Halle beschult werden. Auch die Rechtsanwaltfachgehilfen mussten aufgeteilt werden auf Berufsschulen in Halle und Magdeburg. Andererseits kämen auch viele Schüler von außerhalb, etwa aus dem Salzlandkreis, nach Dessau, verweist Baumbach.
Vor dem Hintergrund sinkender Schülerzahlen müsste im Land vielleicht neu festgelegt werden, wo was stattfinden soll, denkt Schulleiter Andreas Heide. Damit die Schulen nicht jedes Jahr aufs Neue um Schüler feilschen müssten. Eine Lösung könnte aber auch sein, sagt sein Schulleiterkollege Baumbach, das bestimmte Ausbildungsgänge nicht in jedem Jahr, sondern zyklisch aller zwei oder drei Jahre angeboten werden. Hier sei die Schule mit Arbeitgebern im Gespräch. Denn das Bestreben sei da, entsprechende Klassengrößen für die Beschulung am Dessau-Roßlauer Berufsschulzentrum zu erreichen.