Walter Gropius Bauhaus-Ausstellung: Die Reise des Schreibtischs von Walter Gropius

Dessau - Er ist nur aus Kiefernholz mit Kirschholz-Furnier. Zu Zeiten der Hochinflation war Massivholz rar. Doch was zählt schon das Materielle bei Walter Gropius’ Schreibtisch?
An ihm hat der Bauhaus-Gründer große Bauwerke entworfen und die Ideen der Moderne entwickelt. Das Möbelstück wurde zum Weggefährten und erlebte sämtliche Stationen in Gropius’ Leben mit.
Im Rahmen des Bauhaus-Labs haben internationale Künstler, Wissenschaftler und Kuratoren nun den Weg des Tischs und die Exilgeschichte seines Besitzers zurückverfolgt. Die Ergebnisse werden nun in der Ausstellung „Desk in Exile“ im Bauhaus präsentiert.
Von Gropius selbst entworfen
Sozusagen geboren wurde der Schreibtisch 1923 in Weimar. Gropius entwarf ihn selbst als Exponat für die Bauhaus-Ausstellung 1923. Mit seinem gläsernen Aufsatz sowie einem mäandernden Rahmen wurde er im neuen Direktoren-Zimmer Teil eines Gesamtkunstwerks.
Zwei Jahre sollte er dort bleiben, dann zog Gropius 1925 mit dem Bauhaus und auch dem Schreibtisch nach Dessau.
Privat wohnten die Bauhäusler in den Meisterhäusern. Man wollte nicht nur zusammenarbeiten, sondern auch zusammen wohnen. Das Bauhaus-Gebäude wurde neue Heimstatt der Design- und Architekturschule.
„Ordne deine Arbeit“
Gropius’ Schreibtisch kam im Direktoren-Zimmer unter. Standardisierte Wandschränke und Einbauregale bestimmten die Ausstattung, hatten allerdings wenig gemein mit einem Gesamtkunstwerk.
„Ordne deine Arbeit“ war das namensgebende Motto für das ODA-System. Der Schreibtisch wirkte darin wie ein Fremdkörper. Doch blieb er Zentrum der Zimmers. Zur Blütezeit wurde an ihm die Hochschule für Gestaltung geleitet. Netzwerke wurden hier geknüpft und gepflegt.
Schließlich gab Gropius aber die Leitung des Bauhauses ab. 1928 verließen er, seine Frau Ise und der Schreibtisch Dessau. Eine Zeit des Übergangs begann. Zunächst ging es nach Berlin, wo Gropius wieder als Architekt arbeitete.
Allein zog die Familie in ein Haus, in dem auch das Büro und damit der Schreibtisch untergebracht waren. Nach der Machtergreifung der Nazis fürchtete Gropius Übergriffe auf seine Person.
1934 flüchtete er nach England ins Exil. Die Familie lebte in einer kleinen Wohnung. Die Möbel mussten zurückbleiben. Auch der Schreibtisch. Er war eben auch nur ein Möbelstück.
Mit dem Schreibtisch nach Amerika
Schließlich wurde Gropius 1937 als Professor an die Harvard Graduate School of Design berufen. Per Schiff emigrierte das Paar nach Cambridge (Massachusetts/USA).
Auch das Hab und Gut inklusive des Direktoren-Schreibtischs wurde verschifft. In einem Brief schreibt Gropius an den Architekten Maxwell Fry: „Nachdem ich die Kisten aus dem Ausland geöffnet hatte, stand ich vor einem Berg Müll, so zerbrochen und beschädigt sind diese hier angekommen.“
Die Familie musste in vielerlei Hinsicht wieder bei Null anfangen. Dennoch versuchte sie, schnell heimisch zu werden, sich der neuen Umgebung anzupassen.
Das Lincoln-Haus wurde als neues Wohnhaus gebaut. Walter und Ise nahmen die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Und gleichzeitig versuchte man, Gewohntes zu pflegen. Bauhäusler Marcel Breuer und weitere Professorenkollegen bauten in der direkten Nachbarschaft. Eine neue Gemeinschaft entstand.
Zwei Nachbauten in Weimar und Dessau
Der einst so bedeutende Schreibtisch kam im Kinderzimmer von Tochter Ati unter - und wurde immer deutlicher zum Alltagsgegenstand. Er hatte den Schiffstransport schon nicht schadlos überstanden. Im Laufe der Zeit erhielten die Schubladen noch Knaufe. Und so mancher Fleck auf der Platte folgte - der bis heute sichtbar ist.
Mittlerweile ist der Schreibtisch wieder Ausstellungsstück. Für Weimar und Dessau wurden Nachbauten angefertigt. Der Forschung brachten sie Erkenntnisse über die Bauweise des Tisches. Vom Leben seines Besitzers berichten kann aber doch nur das Original. (mz)
Die Ergebnisse zur Reise von Gropius' Schreibtisch können seit dem 5. August im Vorzimmer des Direktorenzimmers im Dessauer Bauhausgebäude noch bis zum 4. Dezember 2016 besucht werden.
