Aufgabe für viele Stimmen
Dessau/MZ. - Nicht umsonst nennt sich diese Oper schließlich musikalisches Volksdrama, und der Chor ist das Volk.
"Das Publikum erlebt alle Arten des Chorsingens", verspricht Sonne. "Flüstern, Singen, Jaulen und Schreien", zählt er schon mal auf. "Die Bandbreite ist sehr groß, und ich kann den Chor richtig fordern", sagt Sonne, der überhaupt findet, dass diese Oper durchaus auch "Die Leiden des russischen Volkes" heißen könnte. Sein Volk zählt gut 90 Personen und umfasst den Opernchor, den Extrachor und den Kinderchor. Zuweilen, weiß der Chordirektor, stehen im "Boris Godunow" bis zu 200 Sänger auf der Bühne. Die braucht es in Dessau nicht zwingend. "Wir haben hier eine gute Akustik, wie ein vergrößertes Wohnzimmer", sagt er. Da wirken auch 90 Stimmen gewaltig.
Vor allem in den Dessauer Extrachor investierte Helmut Sonne, der seit Sommer 2005 am Dessauer Theater arbeitet, eine Menge Zeit und Arbeit. "Im Prinzip musste der Extrachor neu aufgebaut werden", so Sonne. Auf der Suche nach Stimmen verschlug es den Chorchef bis in eine Akener Kneipe. "Da habe ich mir die Probe eines Männerchores angehört", erzählt er. Und als schließlich alle Stimmen beisammen waren, unternahm er mit den Sängern einen Betriebsausflug. Der führte ins Opernhaus Halle, denn just dort, wo Helmut Sonne bis zu seinem Engagement in Dessau wirkte, hatte die Oper von Mussorgski bereits im Januar vor einem Jahr Premiere. Die "weichgewaschene Fassung" nennt Helmut Sonne die dort laufende Version, sperrig bezeichnet er das Original, wie es Regisseur Helmut Polixa gemeinsam mit Dirigent Golo Berg in Dessau auf die Bühne bringt.
"Boris Godunow" ist freilich nicht die einzige Oper, die in der aktuellen Spielzeit den Opernchor in besonderer Weise fordert. Sonne zählt als jüngstes Beispiel das Musical "Heidi" auf, in dem eine große Zahl von Chorsängern solistisch zu erleben ist. "Ich finde es wichtig, dass die Chormitglieder auch als Solisten auftreten", sagt Sonne. Er möchte Kammermusikabend für den Chor etablieren, wünscht sich immer wieder kleine Konzerte. "Ein Chor muss flexibel bleiben", weiß der Mann, dem das Theater ermöglicht, einen Lehrauftrag an der Leipziger Musikhochschule wahrzunehmen und der auch in der Zukunft große Choraufgaben in Dessau auf sich zukommen sieht: "Parsifal" und "Macbeth", beide unter der Regie von Intendant Johannes Felsenstein, rücken stetig näher und sind nicht weniger anspruchsvoll als der sperrige Godunow.