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Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Vom Himmel fährt der Mond

Von Thomas Altmann 30.09.2013, 06:55
Blick auf die Probebühne: Am Freitag feiert die Oper „Norma“ von Vincenzo Bellini Premiere im Anhaltischen Theater.
Blick auf die Probebühne: Am Freitag feiert die Oper „Norma“ von Vincenzo Bellini Premiere im Anhaltischen Theater. L. SeBastian Lizenz

Dessau/MZ - Geschlagene Bäume, geschlagene Menschen: Die Lichtung ist eine Rodung und der Mond zum Greifen nah, staubig, urwüchsig, ohne Silberschein, vorerst. Bisher fehlen Beleuchtung, Orchester und Kostüme.

„Norma“, eines der bedeutendsten Werke des Belcanto, der italienischen Gesangskunst, von Vincenzo Bellini wird in der Inszenierung von Generalintendant André Bücker am 4. Oktober im Anhaltischen Theater Premiere feiern. Nun wurde das Werk in einer Soiree vorgestellt. Die Verlegung der Werkeinführung auf den Abend ermöglichte wiederholt den Besuch einer Bühnenprobe, noch mehr Vorgeschmack versprechend, begrenzt auf etwa 30 Minuten. Vorher sprach, wie gewohnt, das Regieteam über Werk und Inszenierung.

„Norma“ und „Nora“: Die ersten Premieren des Musiktheaters und des Schauspiels in der neuen Saison korrespondieren nicht nur im Gleichklang der Namen. Henrik Ibsens Schauspiel erscheine, so Bücker, wie eine bürgerliche Spiegelung des antiken, archaischen Stoffes. Zwei Frauen, zwei Mütter, die ihre Kinder verlassen, und aus dem Leben scheiden. Nora geht freilich nicht in den Tod. Sie verlässt Konventionen, Lebenslügen. Norma wiederum transportiere die „archaische Wucht“ im Anklang an das Medea-Motiv, in der Überlegung die eigen gemeinsamen Kinder aus Rache zu töten. Zwischen beiden Inszenierungen gebe es nun, so Bücker, Verweise ästhetischer Art.

Ein "archaischer Spielraum" für Bücker

Aber zurück an den Beginn der Soiree. Dramaturgin Sophie Walz nennt drei Aspekte des Zugangs zur szenischen Ausstattung: Den antiken Zuschnitt der Medea-Geschichte, den historischen Bezug der römischen Besatzung und das grundsätzliche Problem im Umgang mit einer Besatzungsmacht. Bühnenbildner Bernd Schneider habe seine Aufgabe darin gesehen, eine offene Gegend darzustellen, die eine Lichtung assoziiere, einen Platz des Gebetes, sowie ein Symbol zu schaffen für die Götter, für das mystische Moment, welches befragt werden soll. Bücker spricht begeistert von einem „archaischen Spielraum“.

Druiden, so Suse Tobisch, werde es nicht geben. Die Kostüme spiegelten zeichenhaft die Zeit der Besatzung während des Zweiten Weltkrieges. Kritik folgt prompt vor der Premiere: Warum dieser Sprung aus der Antike? Warum Uniformen? Tobisch spricht von Zeichen, welche die „emotionale Erinnerung“ anregen sollen. Bücker sagt: „Wir nehmen den Stoff ernst und spielen eben nicht in Asterix- und Obelix-Kostümen (Bonner Oper). Wir werden eine sehr archaische Landschaft, einen kultischer Platz sehen“. An und in den Kostümen werde man lediglich Verweise auf den näherliegenden Problemkreis der Kollaboration finden. Der Blick in die Probe bescheinigt wenig später eine nahezu mondsüchtige, archaische Landschaft, kronenlosen Bäume und eine Lichtung, wie von einer Waldgardine umstellt.

Die musikalische Leitung hat Daniel Carlberg. Diese Oper sei vor allem für Sänger geschrieben, sagt er und schwärmt vorab von den Solisten. Norma, Angelina Ruzzafante, habe gleich drei Fächer zu bedienen: Das Koloraturfach, ein lyrisches Fach und ein dramatisches. Carlberg verweist zudem auf die Spannung zwischen Belcanto und Drama, auf die wunderbare Bellini-Linie, die sich mit einem unglaublichen dramatischen Gestus und Inhalt paare. Walz führt die quasi moderne, enge, oft mit dem Verhältnis von Mozart und Da Ponte verglichene Zusammenarbeit des Komponisten mit dem Librettisten Felice Romani in Erinnerung. Bücker sagt, diese Spannung zwischen Text und Musik sei ein hochinteressanter Kontrast und die Herausforderung der Inszenierung schlechthin. Die Sänger müssten den Inhalt scheinbar gegen die Melodie denken und spielen. Wenn das gelänge, werde diese wunderbare Musik noch stärker.

Vorerst kommen zwei Kinder, Normas Kinder, spielen Ball auf der Bühne. Dann erscheinen das Haupt der Druiden, Orovese (Thomas Skambraks), gallische Krieger und Priester, dann Pollione (Sung Kyu Park), der römische Prokonsul mit seinem Spannemann Flavio (David Ameln); und schließlich, noch sind die 30 Minuten nicht um, Norma. Sie singt: „Casta Diva, che inargenti“. Da fährt der Mond vom Himmel. Was für ein Gebet, was für ein Mond, was für eine Stimme, was für eine betende Mondschein-Stimme!

Sophie Walz, Daniel Carlberg, Bernd Schneider, Suse Tobisch und André Bücker bei der Werkeinführung zur Oper „Norma“.
Sophie Walz, Daniel Carlberg, Bernd Schneider, Suse Tobisch und André Bücker bei der Werkeinführung zur Oper „Norma“.
L. Sebastian Lizenz