Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Land will drei Millionen Euro streichen
Dessau/MZ - Die Tradition zählt 218 Jahre. „Was wir lieben“ heißt es 2013/2014 am Anhaltischen Theater - als eine Liebesklärung an das Theater, aber auch an die Stadt. Lange geplant, will Generalintendant André Bücker am Donnerstag die neue Spielzeit vorstellen, die die letzte in dieser Form sein könnte, wenn die Pläne umgesetzt werden, die Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) am Mittwoch in Magdeburg vorgestellt hat. Das Land Sachsen-Anhalt will die Förderung der Theater und Orchester von 36 auf 29 Millionen Euro kürzen. Das Anhaltische Theater träfe es besonders hart: Statt 8,13 Millionen Euro soll das große Haus im kommenden Jahr nur noch 5,2 Millionen Euro bekommen. Ab 2014. Gedeckelt bis 2019. Mit drastischen Konsequenzen: Es wäre das Ende als Vier-Sparten-Haus. Vielleicht sogar noch mehr: Selbst wenn man das Schauspiel, das Ballett und das Puppentheater schließt, lassen sich keine drei Millionen Euro einsparen.
Ohne Untersetzung, ohne Erklärung
„Wir sind geschockt“, sagte Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Klemens Koschig. Man habe die Zahlen präsentiert bekommen - „ohne Untersetzung, ohne Erklärung“. Das mache fachlich alles keinen Sinn. „Ich sehe kein Szenario, wo man diese drei Millionen Euro einsparen kann und am Ende ein funktionsfähiges Theater hat.“
Für die Strukturveränderungen müsste man die für 2013 verlängerten Haustarife auslaufen lassen. Sofort würden der Personalkosten um 1,9 Millionen Euro steigen. Und dann? Es gebe eine vorbereitete und ausgeplante neue Spielzeit. Es gebe Kündigungsfristen. „Und am Ende fallen dann ja auch Einnahmen weg.“
Der Hiobsbotschaft aus Magdeburg hatte sich vor ein paar Wochen angedeutet. Als die Landesregierung die „Magdeburger Elle“ zum Maßstab erklärte - und plötzlich auf eine einwohner-bezogene Förderung setzte. Dass Dessau-Roßlau als kleinstes der drei kreisfreien Oberzentrum die schlechtesten Karten haben würde, war klar. „Wir haben auf einen Zuschuss pro Besucher gedrängt“, erinnerte Koschig. Das Anhaltische Theater hat dort sehr gute Zahlen. Ohne Chance. „Wir fühlen uns allein gelassen“, sagte der Oberbürgermeister, zumal in der gestrigen Magdeburger Runde ein Thema keine Rolle spielte. Die Einbeziehung der Region in die Finanzierung des Theaters. Per Kulturraumgesetz. „Das“, sagt Koschig, „geht nur von oben.“ Die Forderung steht seit Jahren.
„Ich halte die Konzeption nicht nur für unsinnig, sondern letztlich auch für nicht umsetzbar“, sagte André Bücker, der Generalintendant des Anhaltischen Theaters, der gestern über den Nachrichten-Kanal „Twitter“ konstatierte: „Die Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt hat weder Kultur noch verdient sie die Bezeichnung Politik.“ Und: „Der Kultusminister weiß nicht wovon er spricht, wenn er von ,tragfähigen Theater-und Orchesterstrukturen’ schwadroniert.“ Das hatte Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) in Magdeburg als Ziel formuliert - trotz der Theater-Kürzung von 36 auf 29 Millionen Euro, die neben Dessau auch Halle und Eisleben betreffen. Eisleben bekommt gar keinen Zuschuss mehr.
Den Spielplan für 2013/14 will Bücker heute trotzdem vorstellen. „Ich gehe fest davon aus, dass wir unseren Auftrag erfüllen werden. Der Kultusminister müsste wissen, dass schon durch die Bindung an einen Haustarifvertrag innerhalb eines halben Jahres nicht so viel Geld rausgezogen werden kann. Wir haben eine Verpflichtung, vor allem den Mitarbeitern gegenüber.“
Den Worst Case will Bücker nicht zu Ende denken. Gut drei Millionen Euro ließen sich nicht durch die Schließung von einer oder zwei Sparten einsparen. Dass die Ankündigung der Mittelkürzung jetzt kommt, also vor der Sommerpause der Theater, bezeichnet Bücker als zynisch, aber typisch. „Was hier mit der Kultur gemacht wird, ist nicht nur ein Imageschaden für das Land, es ist gemeingefährlich.“ Eine Kapitulation schloss Bücker aus. „Ich gehe davon aus, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.“ Die Stadt mache alles, was in ihren Kräften stehe. „Wir müssen gemeinsam kämpfen.“ Mal wieder.
Unterstützung versprachen Jens Kolze und Holger Hövelmann von der CDU-SPD-Regierungs-Koalition. Im Herbst vorigen Jahres, als dem Theater 205 000 Euro gestrichen wurde, hatten beide den Saal im Landtag verlassen, als es die Kürzung zur Abstimmung kam. „Eine Kürzung in dieser Dimension ist mit mir nicht zu machen. Bei diesen Summen hört das Verständnis für Kürzen und Sparen auf“, sagte Kolze (CDU) und forderte eine solidarischere Verteilung des Geldes. „Warum bleibt Magdeburg außen vor?“ Zweifel an der Bezugsgröße Einwohner meldete Holger Hövelmann (SPD) an. „Das ist willkürlich und lässt außen vor, welches Gebiet versorgt wird.“ Außerdem: „Was passiert, wenn Dessau-Roßlau weitere 5 000 Einwohner verliert? So etwas kann nicht der Maßstab sein.“