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Anhaltisches Theater Dessau Anhaltisches Theater Dessau: Schöne Lektüre: Spielzeitheft ist kleines Kunstwerk

Von corinna nitz 18.07.2014, 06:43
Franziska Blech (r.) leitet seit 2009 die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Anhaltischen Theater. Gemeinsam mit Luisa Männel betreut sie auch die Redaktion der Spielzeithefte des Hauses.
Franziska Blech (r.) leitet seit 2009 die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Anhaltischen Theater. Gemeinsam mit Luisa Männel betreut sie auch die Redaktion der Spielzeithefte des Hauses. heysel Lizenz

dessau/MZ - Ein Mitarbeiter der Bundeskulturstiftung hatte vor einigen Jahren das Interesse der prominenten Pianistin Ragna Schirmer geweckt. Er erzählte, dass es in Dessau einen neuen Generalmusikdirektor gebe, mit dem das Musizieren so viel Spaß mache, „dass sich die Orchestermusiker darum rissen, mit ihm Dienst zu haben“. Und sie hörte von einem „jungen Intendanten, der in Dessau einiges umwälze, aber das Publikum in Scharen ins Theater lockte“.

„Nah dran am Leben“

Das Statement der Pianistin kann im neuen Spielzeitheft nachgelesen werden, mit dem das Anhaltische Theater Dessau sich und die 220. Saison dem Publikum empfiehlt. Die eingestreuten Texte von bekannten Zeitgenossen (u. a. auch Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität Berlin und ehemaliger Kultusminister von Sachsen-Anhalt) sind nur eine Besonderheit dieses Kompendiums, das viel mehr ist als eine bloße Zusammenstellung und kenntnisreiche Erläuterung dessen, was ab September auf die Bühnen gelangt oder in der Theaterpädagogik und bei Kooperationen geboten wird.

Es ist vor allem ein kleines Gesamtkunstwerk entstanden, dessen Lektüre Freude macht und das einmal mehr auch mit einer originellen Fotoidee aufwartet. Die Ensemblemitglieder haben das Haus verlassen, sie sind in die Stadt gegangen und haben die Rollen getauscht: Aus Kammersängerin Iordanka Derilova etwa ist eine Zahnärztin geworden. Oder Angelina Ruzzafante: Die Sopranistin betätigt sich als Autoverkäuferin.

Schauspielerin Katja Sieder präsentiert sich als energisch dreinblickende Feuerwehrfrau. Ihr Kollege Patrick Wudtke hat sich unter die „Facharbeiter für Entsorgungstechnik“ gemischt. Für den eingangs erwähnten Intendanten, André Bücker also, zeigen die Bilder, wie man in seinem Haus Theater versteht: „Im Hier und Heute, nah dran am Leben in der Stadt und an unserem Publikum.“

Nun liegt es auf der Hand, dass derart aufwendige Fotostrecken im Allgemeinen einen langen Vorlauf brauchen. Im Speziellen aber, sagt die Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Franziska Blech, habe es sich hingezogen. Wie sich angesichts der durch die Kulturpolitik des Landes Sachsen-Anhalt verursachten Unsicherheiten auch die Entwicklung des gesamten neuen Spielplans schwieriger und langwieriger gestaltete.

Blech ist eigentlich Diplom-Juristin, aber es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass sie fürs Theater lebt. Am Dessauer Haus arbeitet sie seit 2009, es ist das vierte Spielzeitheft, das sie betreut hat. Der Aufwand ist beträchtlich, erste redaktionelle Sitzungen für ein neues Jahresheft gibt es bereits im Dezember einer jeweils noch laufenden Spielzeit. Ideen müssen entwickelt werden, ein Motto, Illustrationen dito. Die zündende Idee, Menschen für das neue Heft an ihren Arbeitsplätzen zu besuchen und in deren Rollen zu schlüpfen, sei von Regisseur David Ortmann gekommen.

„In der Stadt gab es eine tolle Resonanz“, sagt Blech und auch, dass die Bilder die Breite der Gesellschaft widerspiegeln. Was indes selten widergespiegelt wird, ist die Arbeit, die in einem fertigen Produkt, sei es in einer Inszenierung oder einem Spielzeitheft, steckt. Besonders kurz vor Drucklegung müssen Blech und ihrer Mitarbeiterin, der Theater- und Kommunikationswissenschaftlerin Luisa Männel die Köpfe rauchen. Man versuche, die unterschiedlichen Handschriften etwa der Spartenleiter und Dramaturgen in Einklang zu bringen; das größte Problem, so Blech, sei aber immer, dass die Texte „recht spät“ kommen.

Am Ende bestehe die Kunst darin, „die Leute zum richtigen Zeitpunkt unter Druck zu setzen“. In der heißen Phase, die schon mal drei Wochen dauern kann, werde praktisch täglich am Spielzeitheft gearbeitet, bevor es in die Schlussredaktion zu Bücker, Blech und Männel geht.

Was das Motto der 220. Saison betrifft, so habe das schnell festgestanden, zumal vor dem Hintergrund der Mittelkürzungen. Zwar konnte das Anhaltische Theater als Vier-Sparten-Haus gerettet werden, doch es wird nicht mehr dasselbe sein. Was, so Bücker, könnte also diesen Blick in die Zukunft besser zusammenfassen als das aus dem Gesang der Nornen in Wagners „Ring“ entlehnte Spielzeitmotto „Was werden wird“.

Man wird sehen

Um noch einmal auf die eingangs erwähnte Pianistin zurückzukommen: Längst hat Ragna Schirmer sich selbst vom Charisma des Generalmusikdirektors überzeugt. Zuletzt bestritt sie mit Antony Hermus und der von ihm geleiteten Anhaltischen Philharmonie im Mai dieses Jahres in Dessau einen viel beachteten Beethoven-Marathon. Und wie andere, so hat auch Schirmer nun für das Jahresheft vom Anhaltischen Theater begonnene Sätze vollendet. Einer geht so: „Sachsen-Anhalt 2025 wird hoffentlich der größte Touristenmagnet der Bundesrepublik wegen seiner reichhaltigen Kultur.“ Man wird sehen, was wird.