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Anhaltisches Theater Dessau Anhaltisches Theater Dessau: Ein Appetitanreger

Von thomas altmann 17.05.2013, 19:40
Roman Hovenbitzer, Daniel Carlberg, Felix Losert (v. l.)
Roman Hovenbitzer, Daniel Carlberg, Felix Losert (v. l.) sebastian Lizenz

dessau/MZ - Ein Jahr zuvor leuchtete in den Straßen von Paris elektrisches Licht. Der Turm von Gustave Eiffel krönte den Wettlauf um den Fortschritt auf der Pariser Weltausstellung 1889. Zugleich feierte eine Oper Premiere, technische Effekte nutzend und doch märchenhaft zurückgewandt mit dem Widerschein des Fortschritts zaubernd.

Noch mehr Vorgeschmack

„Esclarmonde“, eine romantische Oper von Jules Massenet, wird am 26. Mai im Anhaltischen Theater Dessau als deutsche Erstaufführung Premiere feiern. Am Mittwoch wurde das Werk vorgestellt. Soiree statt Matinee: Die Verlegung der Einführung vom Sonntagmorgen auf den Mittwochabend ermöglicht den Besuch einer Bühnenprobe, noch mehr Vorgeschmack versprechend. Die üblichen Schaustücke gibt es somit live, als Appetitanreger begrenzt auf etwa 30 Minuten. Vorher spricht, wie gewohnt, das Regieteam über Werk und Inszenierung und für dieses Mal vor allem über das Libretto.

Zu Beginn der Oper und des Probenbesuchs steht Kaiser Phorcas (Ulf Paulsen) auf einer Treppe, die ausschließlich und schwindelerregend in die Höhe führt, um wahrhaftig abzutreten. Treppauf steigt nun des Kaisers Tochter Esclarmonde (Angelina Ruzzafante), die vom Vater Staatsmacht und Zauberkraft erhält, verbunden mit dem Gebot, sich bis zu ihrem Hochzeitstermin zu verschleiern. Viel Volk, viel Chor, das große gebietende Solo: Der Beginn trägt alle salbungsvolle Feierlichkeit, die eine Inthronisation braucht, und die offenbar zeit- und ortlose Hagia Sophia ist ganz hölzerne Kuppel. Mehr wird zum Bühnenbild nicht verraten. Für die Uraufführung entwarf Eugène Grasset Laterna-magica-Bilder. - Wie es weiter gehen wird, erzählte Operndirektor Felix Losert zuvor, nachdem er Grundsätzliches sagte, die französische Eigenständigkeit und die Einflüsse Richard Wagners andeutend. „Esclarmonde“ sei bei aller Fülle des Geschehens kein Musikdrama, sondern eine traditionelle große Oper mit vielen Soli, viel Chor, mit großen Bildern, Erzählungen und lyrischen Szenen.

Ein Werk steht quer zur Zeit

Vorlage des Librettos war der mittelalterliche Roman „Partonopeus de Blois“. Die Namen der Helden wurden geändert. Losert verwies auf das „Rolandslied“. Denn in der Oper verliebt sich Esclarmonde in Ritter Roland, Graf von Blois (Sung Kyu Park). Sie verliebt sich vor der Zeit. Wie Brunhilde Siegfried so stoße Esclarmonde Roland zu anderen männlichen Taten aus dem Bett, wie im „Lohengrin“ herrsche ein Frageverbot. Eingebettet in die großen Traditionen, stehe die Oper „quer zur Zeit“, zu einer Zeit, in der die Weltausstellung Raum für Neuerungen bot, „quer“ zum Licht, zur Industrialisierung und sozialen Differenzierung, sagt Regisseur Roman Hovenbitzer, der in Dessau zuletzt „La Bohème“ inszenierte. Massenet habe die Märchenhaftigkeit gegen die Wirklichkeit gesetzt. Märchen behandelten die großen Fragen, die nun nicht durch Übertragungen, sondern durch die Mannigfaltigkeit der Bilder präsentiert würden. „Irgendwas“, so Hovenbitzer, „ist da, was klingt, was von woanders kommt“, gleichbedeutend mit der Realität, ein Plädoyer der Fantasie.

In die Kehle geschrieben

Große Bilder, große Tongemälde und große Klanggewalt seien durchsetzt von lyrischen, fast kammermusikalischen Momenten, sagt Daniel Carlberg (Musikalische Leitung). Diesen Reichtum an Farben und Dynamiken finde man selten. Dennoch blieb die Oper in Deutschland unbekannt. Losert verwies auf die nationalistische Stimmungslage der Entstehungs- und Folgezeit sowie auf die Sängerin Sybil Sanderson, der Massenet die Rolle der Esclarmonde in die Kehle schrieb. Als sie starb, wurde es vorerst still um die Märchen-Kaiserin. Nun hat, ein Ton soll die Höhe des Eiffelturms erreichen, Angelina Ruzzafante Kraft, Koloraturen und Lyrik zu meistern. Aber vorerst müssen die Gäste mitten im Geschehen Rang und Probe verlassen. Hovenbitzer ruft gerade: „Angelina, vergiss den Schleier nicht!“ Tatsächlich. Sie läuft zurück.