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Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Der kleine Muck feiert Premiere

Von thomas altmann 28.11.2013, 21:19
Stephan Korves und Jenny Langner schweben über dem Kleinen Muck (Jan Kersjes).
Stephan Korves und Jenny Langner schweben über dem Kleinen Muck (Jan Kersjes). Heysel Lizenz

dessau-rosslau/MZ - Keine Dame ohne Unterleib, aber eine mit Vollbart und offenem Reifrock: Der kleinwüchsige Muck bleibt nicht allein, sondern findet sich in einem Zirkus ein, der gefühlvoll mit dem nostalgischen Budenzauber des vermeintlich menschlichen Makels spielt und wunderbar mit der Verkettung von Abnormität und Fantasie jongliert.

So also beginnt das vorweihnachtliche Märchen „Der kleine Muck“ nach Wilhelm Hauff, eingerichtet und inszeniert von Andreas Rehschuh. Am Donnerstag war Premiere im vollen großen Haus. Es war einmal? Es wird gewesen sein? Ein letztes Märchen im Anhaltischen Theater? Alles entzaubert, wie das Streben des Sultans und seines Schatzmeisters, eines fallenden Wurmes, der jedes Urteil kniefällig unterzeichnet, bevor es gefällt ist? Dreimal drehen und los!

Rehschuh verzichte auf jede Rahmenhandlung, macht aus dem Katzenhaus der Frau Ahavzi jenen nostalgisch verzauberten Zirkus und aus der Hausherrin eine Zirkusdirektorin mit Bart. Illi Oehlmann liefert eine Freifrau der Fantasie mit dem strengen Charme einer köstlich verunstalteten Stiefmutter. Darf man das, die Katzen vertreiben und das Hündchen, welches den kleinen Muck zu den Pantoffeln führt? Aber ja, denn die Wege der Zauberschuhe werden nun greifbarer. Und mehr noch: Muck hat Menschen um sich, die ihn retten, denen er dennoch misstraut, Menschen, die sein Vertrauen und Selbstbewusstsein stärken. Am Ende sind sie das Glück, welches Muck im Original trotz Eselsohren, Rache und Vergeltung nicht findet.

Die letzte Vorstellung findet am 6. Januar 2014 um 15 Uhr statt. Die nächste Vorstellungen sind am Freitag und am 2. Dezember, jeweils um 10 Uhr sowie am 3. Dezember um 10 und um 14 Uhr.

Rehschuhs Version (Dramaturgie Andreas Hillger) führt ein Happyend, vorausgesetzt, die Manege beschreibt keine Parallelwelt der Verwachsenen, der Clowns, der Spinner und Schauspieler, die offenbar keiner mehr braucht. Was beinah wie eine didaktisch wertvolle Aufbereitung naheliegender Beispielhaftigkeit klingen mag, findet immer schwebende Bilder der Fantasie auf Thomas Weinholds Märchenbühne. Schon das Eingangsbild wird im Zusammenspiel mit den satten zirzensischen Kostümen von Grit Walther zu einer atmenden Illustration der Zirkusluft in der Griffigkeit einer Lithografie. Das schwebende Hochrad, der gleitende Kraftklotz, das sinkende Trapez: Mucks Traum ist ein Traum. Seine Gefangenschaft in selbstverliebter Selbstkritik, seine Einsamkeit erscheint im zauberhaften Licht der Leere. Köstlich, wie die Palastwache in den Torsphingen stationiert wurde oder, dass die Pause mit dem Start des Wettlaufes beginnt.

Und, ist es ein Zufall, dass im Rollentausch aus dem stärksten, nicht eben scharfsinnigsten Mann, der dümmlich auf einem Kissengebirge thronende Sultan (Gerald Fiedler) wird? Oder, dass der Goldlöwe, der Frau Ahavzi versehentlich den Kopf abbiss, nun den furchtsam schleimenden Schatzmeister (Felix Defèr) gibt? Aus dem schweigenden Clown (Stephan Korves), dessen Mimik redet, dessen Augen schreien, wird ein kruder Poet und Berater. Lilly (Jenny Langner) tanzt und erscheint wieder als Königstochter, die gleichsam als Schnellläuferin mit Muck konkurriert, eine geschwungene Zeitlupe liefert und als Verliererin reizend nervend zickt. - „Bist ein braver, kleiner Zwerg, hast ein Köpflein wie ein Berg“. Der Reim wird nicht zitiert, aber er ist da. Übersehen kann man ihn nicht. Vier bis fünf Füße hoch sei er nach Hauff. Nun ist Muck ein Mann in ausgewachsener Kindlichkeit, voller Bewegungsfreude und Spiellust. Wie er fällt, wankt, rast, Jan Kersjes als Muck; und als Magier, welch herrliche Schrulle. Die Schuhe hat er bereits an. Nach dem Märchen wird Kersjes Dessau verlassen. Schade. Aber wird nach dem Märchen auch das Märchen Dessau verlassen?