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Ahnenforscher vom Fieber gepackt

Von Ute Hartling-Lieblang 12.01.2005, 18:07

Köthen/Wolfen/MZ. - Das war der Punkt, an dem der 48-jährige Informatiker beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. "Ich habe mir ein Computerprogramm besorgt, sämtliche Geburtstage gesammelt und auch ein Ahnenpass meines Onkels hat mir geholfen", beschreibt er die Anfänge. Später habe er sich Literatur besorgt, um sich schlau zu machen, wie man so eine Ahnenforschung überhaupt angeht. "Am besten man fängt bei den Eintragungen der Standesämter an", rät er. Dort kann man die Eintragungen bis zum In-Kraft-Treten des Personenstandsgesetzes im Jahr 1876 zurückverfolgen. Bis zur 4. Generation ist Bernhard Rödel auf diese Weise gekommen.

Dann halfen nur noch die alten Kirchenbücher weiter. Um dort zu forschen, kann man natürlich an den Ort des Geschehens reisen. Das hat Rödel auch in einigen Fällen getan. Viel einfacher ist allerdings die Forschung in der so genannten Genealogie-Forschungsstelle der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, wovon es eine in der Gemeinde Köthen am Wattrelosring gibt. Zwei Leseplätze stehen Besuchern hier zur Verfügung. Betreut wird die Forschungsstelle von Hans Bartko. "Eigentlich ist das Zentralarchiv, das sich in Salt Lake City, Utah / USA befindet, für unsere Mitglieder da", erzählt Bartko. Die Kirche betreibt weltweit eine aufwendige Ahnenforschung. Gern stellt man das umfangreiche Archiv der Mormonen, aber auch Interessenten außerhalb der Kirche zur Verfügung.

Das Interesse ist groß. Immerhin wurden seit 2000 in Köthen schon rund 450 Mikrofiches (Mikrokopien im Filmformat) ausgeliehen. Einer der eifrigsten Nutzer der Einrichtung ist Bernhard Rödel. Seit zwei Jahren studiert er die alten Kirchenbücher, denen er Informationen über seine Vorfahren entlocken möchte. Und er scheint ein Glückspilz zu sein, wie Bartko sagt, denn er hat in den Büchern schon viele Angaben sehr dicht beieinander gefunden.

Bis zurück in die 13. Generation ist Rödel bisher gekommen, wobei sich die Zahl der Verwandten von Generation zu Generation verdoppelt. Nimmt man nur die Ahnen in gerader Linie, dann kommt man wie Rödel bei der 13. Generation schon auf 8000 Vorfahren. Klar, dass einen da das Forscherfieber packt.

"Es ist wie ein Virus", sagt Rödel und erntet bei diesem Satz ein zustimmendes Nicken von seinem Nachbarn am Lesegerät. "Das lässt einen einfach nicht mehr los." Und so fährt Bernhard Rödel Woche für Woche von Wolfen nach Köthen, um sich hier am Computerbildschirm in die Welt seiner Vorfahren zu vertiefen.

"Es ist nicht nur erfreulich, was man da erfährt", sagt er. "Manches ist sehr traurig." So hat eine frühere Vorfahrin des Wolfeners sechs Kinder geboren, die alle den Vornamen Elisabeth trugen, fünf davon sind gestorben. Eine schauerliche Geschichte hat sich auch 1637 zugetragen. Das war die Zeit des 30-jährigen Krieges. Aus dem Dorf, in dem seine Vorfahren damals wohnten, wird berichtet, dass die Dorfbewohner in Angst und Schrecken lebten, sich tagsüber im Wald versteckten und nur nachts in ihre Häuser trauten. "Ein Ahne von mir wurde von Soldaten in einen Backofen gesteckt, Frauen und Kinder wurden gefoltert", berichtet Rödel.

Doch es gibt auch viele erfreuliche Dinge, auf die der Hobbyforscher gestoßen ist. Da er sich neben dem Studium von Kirchenbüchern, bei denen er es bereits auf 50 gebracht hat, auch eine eigene Homepage im Internet zugelegt hat und Korrespondenzen mit anderen Familienforschern betreibt, stieß er auf zwei weitläufige Verwandte in den USA und in Kanada, mit denen ihn seither ein enge Freundschaft verbindet.

"Meine Wurzeln liegen väterlicherseits in Thüringen, nahe Leutenberg, und in Bayern, mütterlicherseits im ehemaligen Sudetenland bei Marienbad und Eger", fasst Rödel zusammen. Im Kirchenbuch von Leutenberg hat er allein 16 Ahnen gefunden, die hier zwischen 1637 und 1763 eingetragen wurden. Der älteste Vorfahr, den er bisher gefunden hat, hieß Caspar Thom und lebte um 1598. Von Beruf war er Ratskämmerer. An weiteren Berufen waren in Rödels Familie unter anderem Gastwirte und Fleischermeister vertreten.

Auf die Frage, wie lange er noch forschen will, sagt der Wolfener: "Das hört nie auf." Doch der Informatiker stöbert nicht nur in Büchern. Wenn möglich, besucht er die Orte auch, an denen seine Vorfahren gelebt haben. "Würde ich bei meiner Ahnenforschung mal auf einen Adeligen stoßen, wäre das ein Glücksfall, dann könnte ich meine Familiengeschichte bis in die Zeit Karl des Großen recherchieren." Doch das sei ihm wohl leider nicht vergönnt, sagt Rödel.