1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Adresse des Bauhaus-Museums: Adresse des Bauhaus-Museums in Dessau: Anfragen aus NPD- und AfD-Umfeld sorgen für Diskussion

Adresse des Bauhaus-Museums Adresse des Bauhaus-Museums in Dessau: Anfragen aus NPD- und AfD-Umfeld sorgen für Diskussion

Von Steffen Brachert 11.10.2017, 09:19
Das Bauhaus-Museum entsteht: Wie der Platz davor heißen soll, steht schon fest.
Das Bauhaus-Museum entsteht: Wie der Platz davor heißen soll, steht schon fest. Sebastian

Dessau - Auf dem neuen Flyer wird die neue Adresse schon ganz selbstverständlich genutzt: Bauhaus Museum Dessau. Mies-van-der-Rohe Platz 1.

Offiziell gibt es diesen Platz im Stadtzentrum noch gar nicht, weil die Umgestaltung der Kavalierstraße erst am Anfang steht. Doch hinter den Kulissen hat die Namensgebung in den vergangenen Wochen für viele Diskussionen gesorgt.

Welche Verbinung hatte Mies van der Rohe zur NSDAP?

Es begann im Stadtrat, als ein besorgter Bürger einem Skandal auf der Spur schien. Hat Mies van der Rohe, der Bauhaus-Direktor nach Walter Gropius und Hannes Meyer, im August 1934 einen von Goebbels initiierten Aufruf der Kulturschaffenden unterschrieben und die Treue zum Führer versprochen?

Und: Könne man einen Platz am Dessauer Denkmal für die Opfer des Faschismus nach einem Mann benennen, der eben das getan hat?

Seltsamerweise stellte die Frage ein Mann, der zuletzt im März bei den Neonazi-Aufmärschen anlässlich der Bombardierung von Dessau eine flammende Rede hielt und der zuvor schon bei den Demos von NPD und Freien Kameradschaften in der Roßlauer Waldstraße als Ordner und Redner aktiv war. So einer als Kämpfer für die Opfer des Faschismus?

AfD im Landtag kritisiert Benennung als Mies-van-der-Rohe-Platz

Im Stadtrat selbst reagierte man überrascht. Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Peter Kuras, eigentlich ein guter heimatgeschichtlicher Kenner, schüttelte damals nur den Kopf. Diese Geschichte kenne man so nicht. Man werde das aber prüfen.

Neuen Schwung nahm das Thema, weil die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt nun plötzlich ebenfalls Sorge um das Dessauer Denkmal der Opfer des Faschismus entwickelte. Der Köthener AfD-Abgeordnete Hannes Loth hatte auch Probleme mit der Benennung als Mies-van-der-Rohe-Platz.

Der sei ein opportunistischer Mitläufer in der Zeit des dritten Reiches gewesen. „Kann man einen Platz nach ihm benennen?“, fragte Loth in einer Kleinen Anfrage die Landesregierung. Die antwortete Ende August, hielt sich aber an Formalien.

Bauhaus-Museum wird der einzige Anlieger des Platzes sein

„Bei der Entscheidung über das Ob und Wie einer Straßenbenennung steht der Gemeinde eine weitreichende, auf dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrecht beruhende Gestaltungsfreiheit zu“, teilte das Innenministerium mit.

Die Pflege örtlicher Traditionen und die Ehrung verdienter Bürger seien legitime Zwecke der Straßenbenennung. Bei der Verfolgung dieser Zwecke habe man bei einer Umbenennung die Interessen der Anwohner abzuwägen.

Im konkreten Fall ist das aber außen vor: Der Platz wird eine Neubenennung. Das neue Bauhaus-Museum ist und bleibt einziger Anlieger des Platzes. Und: Der Stiftungsrat hat die Benennung zur Kenntnis genommen.

„Bei der Benennung des Platzes geht es um die Würdigung der Lebensleistung von Mies van der Rohe“

Bleibt am Ende die eigentliche Frage: Kann man den Platz nach Mies van der Rohe benennen? „Natürlich“, sagt Wolfgang Thöner von der Stiftung Bauhaus Dessau. „Bei der Benennung des Platzes geht es um die Würdigung der Lebensleistung von Mies van der Rohe.“ Die sei unbestritten. „Er ist einer der größten Architekten überhaupt.“

Der aber 1934 den Goebbels-Appell unterschrieben hat? „Hat er“, sagt Thöner. „Und das kann man ihm vorwerfen. Und das ist sicher kein Ruhmesblatt. Man kann solche Sachen aber nicht kontextfrei sehen.“

Vor allem aber: „Das ist nichts Neues.“ Die Rolle des Bauhauses in der Nazizeit ist umfangreich erforscht. „Bauhaus-Moderne im Nationalsozialismus - Zwischen Anbiederung und Verfolgung“ ist ein Buch überschrieben, das im Jahr 1993 erschienen ist. „Das alles ist also kein Skandal mehr.“

Mies van der Rohe hatte ein Goebbels-Manifest unterschrieben

Der „Aufruf der Kulturschaffenden“ ist ein von Joseph Goebbels formuliertes Manifest, das am 18. August 1934 im „Völkischen Beobachter“ veröffentlicht wurde, dem Parteiorgan der NSDAP, am Vorabend der Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs.

Der Aufruf hat über 30 Unterschriften. Mies van der Rohe hat unterschrieben, schätzt Thöner, um seine Arbeit als Architekt und als Lehrender weiterführen zu können. „Er war ein unpolitischer Mensch. Man kann ihm vielleicht Opportunismus vorwerfen.“

Das sei aber zur damaligen Zeit ein Problem Hunderttausender gewesen. „Sein Opportunismus hatte aber auch Grenzen. Mies van der Rohe hatte ein humanistisches Ideal, an dem er festhielt.“

KPD-Denkmal von Mies van der Rohe wurde von den Nazis zerstört

1938 übersiedelte Mies van der Rohe in die USA. „Er kam mit seiner Art der Architektur in Deutschland nicht weiter“, sagt Thöner. Seine Unterschrift unter dem Goebbels-Aufruf wurde ihm in der neuen Heimat nicht vorgeworfen.

Da war eher ein Thema, dass Mies van der Rohe im Auftrag der KPD ein Denkmal für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg entworfen hat. Es wurde 1926 auf dem Zentralfriedhof in Berlin errichtet - und 1935 von den Nazis komplett zerstört. (mz)