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Zeitweilige Obdach Zeitweilige Obdach: Letzte Zuflucht: Frauenhaus

Von Brigitte Mittelsdorf 30.12.2003, 16:56

Wolfen/MZ. - "Schockierend, was ein Mensch dem anderen antun kann", fasst Ines Chlebowski, die Leiterin der 1992 gegründeten Einrichtung, Schicksale zusammen. Die erschreckende Palette reicht von subtil ausgeklügelter psychischer Gewalt bis hin zur schweren Misshandlung an Frau und oftmals auch am Kind. "Wer schließlich zu uns kommt", sagt Ines Chlebowski, "ist regelrecht geflohen und oftmals schwer traumatisiert." Zwischen 18 und 80 Jahren sind die Frauen alt, sie kommen aus allen sozialen Schichten.

In der Küche des Hauses dampft es auf dem Herd. Mittagszeit. Die drei Kinder von Claudia haben sich um den Tisch versammelt, Dorit kocht für ihr 21 Monate altes Töcherchen, Nicole gesellt sich dazu und erzählt von ihrem Kind, das der Vater für sich beansprucht. Trotz aller Bilder im Kopf, die noch weh tun, auch stille Heiterkeit: Von hier aus soll alles besser werden. Für Claudia zum Beispiel, die mit ihren Kindern in eine eigene Wohnung ziehen wird. Und irgendwann jenen Mann vergessen will, den sie dereinst liebte. Der sich nicht helfen ließ als Alkoholiker und im ständigen Rausch Schlimmes antat. Und auch Diana sitzt mit in der Runde. Vor langer Zeit war das Frauenhaus ihre letzte Rettung gewesen. Heute kommt sie hierher, um bei all den tausend Kleinigkeiten im Haus zu helfen.

"Kontakte bleiben oft", sagt Ines Chlebowski. "Und viele nutzen auch unser nachfolgendes Beratungsangebot." Was Behördengänge betreffen kann, aber auch die persönlichen Probleme nach dem Neuanfang. Wer das Haus wieder verlässt, wird nicht allein gelassen. Dienlich ist in diesem Zusammenhang auch das Gruppenangebot: Zu bestimmten Terminen gibt es Gesprächsthemen, je nach Interesse von den ehemaligen Frauenhaus-Bewohnerinnen selbst gewählt. Aktuell ist zum Beispiel die Gesundheitsreform. Oder das Gewaltschutzgesetz, das es bereits seit Januar 2002 gibt, von dem aber viele nichts wissen. Oder das geänderte Ordnungs- und Sicherheitgesetz, das seit Juni 2003 gilt und die Polizei berechtigt, den Mann für 14 Tage aus der gemeinsamen Wohnung zu weisen.

Das Frauenhaus, Ines Clebowski weiß es, kann ein wirksames Schutzschild sein und ein behutsames Obdach. Aber es kann nicht alles. Deshalb ist es ihr Wunsch und der ihrer drei Mitstreiterinnen, im nächsten Jahr ein Netzwerk aufzubauen, "damit die Frauen optimale Bedingungen für einen Neuanfang erhalten." Ihre Vorstellung: Polizei, Richter, Staatsanwaltschaft, Sozial- und Jugendamt und auch eine Psychologin sollten in diesem Netzwerk miteinander wirken.

Eine Idee, die auch Elke gut findet. Und die Silvesterraketen über der Stadt werden sie nicht traurig stimmen heute Nacht. Hier, im Frauenhaus, fühlt sie sich geborgen. Hier schlägt sie niemand. Hier darf sie herausfinden, wer sie ist und was sie kann. Für ein anderes Leben.

Frauen-Nottelefon: Rund um die Uhr 03494-31054.