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Wenn die Welt nach einem Tod Kopf steht Witwe aus Bitterfeld sucht Kontakt zu anderen Betroffen, die um einen Angehörigen trauern

Der Tod eines geliebten Menschen wirft die Angehörigen meist aus der Bahn. Wie soll das Leben nun weitergehen? Eine Bitterfelderin hofft, dass sie bald mit anderen darüber reden kann.

Von Silke Ungefroren 21.10.2023, 16:30
Das Grab ist für viele eine Möglichkeit, ihre Trauer auszuleben. Doch auch das Leben muss weitergehen.
Das Grab ist für viele eine Möglichkeit, ihre Trauer auszuleben. Doch auch das Leben muss weitergehen. (Symbolfoto: imago stock&people)

Bitterfeld/MZ. - Plötzlich steht die Welt auf dem Kopf. Nichts ist mehr so, wie es war. „Und ich glaube auch nicht, dass es jemals wieder so werden wird.“ Die das sagt, ist eine Endfünfzigerin. Wir nennen sie Karla, ihren Namen möchte die Frau erst einmal noch nicht öffentlich genannt haben.

Austausch über die Trauer und darüber, mit diesem Verlust zu leben

Aber in die Offensive gehen will sie und hat sich deshalb an die MZ gewandt. Um ebenfalls Betroffene zu finden, mit denen sie sich austauschen kann. Über die Trauer um ihren Mann, der plötzlich und viel zu früh gestorben ist. Und darüber, wie es möglich ist, mit diesem Verlust klarzukommen und weiterleben zu können.

Karla ist seit acht Monaten Witwe. Ihr Mann hat sie verlassen – von jetzt auf gleich. Ohne größere Anzeichen vorher. Ein Sonntagabend im Februar war es. Den Tag hatten die beiden noch genutzt für einen gemeinsamen Ausflug, wie sie es meistens getan haben an den Wochenenden. Dann wurde noch gemütlich Abendbrot gegessen. Karla räumte danach die Küche auf, während ihr Mann mit dem Sohnemann telefonierte. Plötzlich kam er in die Küche – und fiel einfach so um.

Karla wusste nicht, wie ihr geschah. Sie rief ihren Sohn, der noch in der Telefonleitung war. Und dann den Rettungsdienst. „Der Mann von der Zentrale hat mir Anweisungen gegeben, wie ich verfahren soll“, sagt sie. Herzdruckmassage, welche Abstände, wie das geht. Sie hat gekämpft. Mittlerweile war auch der andere Sohn da.

Wenig später trafen die Rettungskräfte samt Notärztin ein. Auch sie haben alles versucht. Und den bis dahin noch immer nicht ins Leben zurückgeholten Mann schließlich mitgenommen ins Krankenhaus. Es dauerte nicht lange, bis von dort der Anruf kam. Er hatte es nicht geschafft ...

Ablenkung und Trost erst einmal von mehreren Seiten

„Ich weiß nicht, wie ich von da ab funktioniert habe“, sagt Karla. „Ich hätte mir vorher nie vorstellen können, dass man so weiterleben kann.“ Ja, es kamen erst einmal die „organisatorischen Dinge“: Allen Bescheid geben, Trauerfeier und Bestattung organisieren und noch so ganz viel mehr ...

Nur zwei Wochen war sie danach zu Hause, „mir wäre sonst die Decke auf den Kopf gefallen“. Die Arbeit hat sie abgelenkt, bei den Kolleginnen und Kollegen fand sie zudem Trost. Ebenso bei ihren beiden erwachsenen Söhnen, Verwandten, Nachbarn, ihrer besten Freundin. „Aber ich glaube, dass diese Situation keiner so richtig nachvollziehen kann, wenn er sich nicht selbst darin befindet.“

Die Gespräche bei der Therapie sind sehr hilfreich

Von sich aus hat sie sich in Psychotherapie begeben, die Gespräche dort tun ihr sehr gut. Und über ihre Therapeutin bekam sie mittlerweile auch Kontakt zu einer Frau, die ihren Mann bereits vor mehr als zwei Jahren verloren hat. „Wir telefonieren regelmäßig und die Gespräche geben mir sehr viel“, sagt Karla, die sich auch sonst nicht „verkriecht“. Sie nutzt alle Möglichkeiten, um rauszukommen, unternimmt auch Dinge, die sie früher nicht getan hat.

Und plötzlich ist die Realität wieder da - immer wieder

„Manchmal geht es mir richtig gut damit“, sagt die Bitterfelderin. „Und ich wundere mich darüber, auch wieder lachen zu können.“ Aber sehr oft und regelmäßig kommen dann diese Momente, in denen alles wieder da ist. Wenn die Realität sie wieder einholt. Und dann weint sie. Weil sie alles an ihren geliebten Mann erinnert – mit dem sie über 40 Jahre zusammen und davon 38 Jahre verheiratet war. Seine Sachen hängen noch im Schrank. „Und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben.“ Im Bad steht noch sein Zahnputzbecher, die Jacke für den Garten hängt an der Garderobe – nach wie vor ...

Trost findet Karla auf dem Friedhof, wohin sie mehrmals in der Woche fährt. Frische Blumen auf das liebevoll gestaltete Grab stellt und mit ihrem Mann redet. Es ist nicht die einzige Ruhestätte, die sie dort pflegt. Schräg gegenüber liegen seine Eltern begraben, wenige Meter weiter ihre eigenen.

Karla möchte weiter stark bleiben. Fühlt sich zu jung, um nur zu trauern – obwohl das wohl immer einen festen Platz in ihrem Leben einnehmen wird, Aber gerade deshalb würde sie sich gern austauschen mit Menschen, denen es ähnlich ergeht wie ihr – ob Frau oder Mann. „Die Todesanzeigen in den Zeitungen sind ja erschreckend, was die Geburtsjahre angeht“, sagt sie. Ihr Mann war voriges Jahr 60 geworden, das hatten sie noch schön gefeiert in Familie. „Aber die Leute sind immer jünger, wenn sie sterben.“

Einer muss den Anfang machen, hat sie sich jetzt deshalb gesagt. Karla würde sich freuen über Kontakte mit Leuten, die ähnlich fühlen wie sie und den Austausch ebenso möchten. „Ob daraus eine feste Gruppe wird oder wir uns regelmäßig treffen, das ist mir vorerst nicht wichtig“, sagt sie.

Erzählen und sich austauschen erhofft sich die Witwe jetzt

Erst einmal nur Nachrichten schicken, telefonieren, sich ergänzen, gegenseitig helfen. Was sich daraus ergibt, soll völlig offen bleiben. Hauptsache, man kann miteinander erzählen über das, was alle bewegt. Und Trost finden ...

Wer ebenso denkt und das Angebot von Karla annehmen möchte, kann sich gern per E-Mail bei ihr oder der MZ melden.

Kontakte über [email protected] oder über die MZ an die Adresse

[email protected]