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Wenn Tischdecken erzählen könnten

Von IRIS LADEMANN 17.12.2008, 16:52

ZÖRBIG/MZ. - Denn bei diesem Wäschestück aus handgewebtem graubraunen Leinen und roter Häkelkante am Saum handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Kaffeedecke, sondern, man ahnt es, um etwas ganz Besonderes. Denn sie kann Geschichten über fast ein Jahrhundert erzählen. Na ja, nicht persönlich, mehr über Museumsleiterin Brigitta Weber. Diese erinnert sich, dass erwähnte Decke mit zu jenen Nachlassteilen gehört, die dem Museum nach dem Tod der ehemaligen Lehrerin Charlotte Lindner 1966 übergeben worden waren. Diese Geste hänge sicherlich damit zusammen, vermutet Brigitta Weber, dass Charlotte Lindner sich immer für das Museum eingesetzt habe und auch Mitglied des Heimatvereins war.

Und dann kommt sie auf die Besonderheiten erwähnter Decke zu sprechen. "Wenn Charlotte Lindner Kaffeegäste eingeladen hatte, durften diese auf der Decke unterschreiben. Anschließend hat sie die Namenszüge - oftmals auch mit Daturm - farbig ausgestickt." Als erster, und darauf ist Brigitta Weber besonders stolz, hat am "22.XI.21" der Mitbegründer des Heimatmuseums und Gründer des Heimatvereins, Otto Schmidt, unterschrieben. Ein noch früheres Datum sei jedenfalls nicht auszumachen, meint sie. Ihren Namenszug hat auch Elisabeth Ulrich am "31.VII.22" hinterlassen. "Sie war also schon vor ihrer späteren Ehe

mit Otto Schmidt zum Kaffeekränzchen eingeladen gewesen", meinte Brigitta Weber schmunzelnd. Ein weiterer Eintrag ist von Anna Rühlmann, der Frau des Zörbiger Orgelbaumeisters - also "alles alteingesessene Zörbiger, die auch an der Entwicklung des Museums entscheidenden Anteil haben und mit Sachspenden unterstützten," resümiert Brigitta Weber und hebt in diesem Zusammenhang Elise Liebrecht, die Tochter des ehemaligen Tierarztes hervor, die einst ein Klöppelkissen gestiftet hat, was die gegenwärtige Klöppelausstellung bereichere. Auch die Frau des Zörbiger Bürgers, der sich durch Geschichten im Zörbiger Heimatkalenders Verdienste erworben hat, war am 23. Oktober 1925 eingeladen. Doch wer der alten deutschen Schrift nicht mächtig ist, bleibt am Datum hängen. "Luise Gelmroth", liest Brigitta Weber vor.

Und da ist auch noch der Eintrag von Friedel Kusche aus dem Jahre 1921, deren Familie eine Schneidermeisterwerkstatt in Zörbig besaß. "Diese Familie hat dem Museum beispielsweise die Sitzgarnitur im "Zimmer um 1850" zukommen lassen, sagt Frau Weber.

Der vorläufig letzte Eintrag vor dem Ableben von Charlotte Linder sei der von Erna Brandenburg am 1. April 1960. Sie war die Hauswirtin von Fräulein Lindner, setzt die Museumsleiterin ihren Ausführungen hinzu und erzählt dann, dass sich alle Mitglieder des 1991 neu gegründeten Heimatvereins ebenfalls auf der Decke verewigt hätten. Somit habe man die Tradition fortgeführt, meint sie. Dann verrät die Museumsleiterin noch, dass zu ganz besonderen Anlässen des Vereins oder des Heimatmuseums die Tischdecke auch heute noch aufgetan werde. Und noch sei eine ganze Menge Platz auf dem großen Tischtuch, so dass auch spätere Mitglieder des Heimatvereins, also jene, die das Museum am Leben erhalten und die Tradition pflegen, auf der Tischdecke ihren Namenszug hinterlassen können.