Vor 106 Jahren Vor 106 Jahren: Graf von Zeppelin präsentiert in Bitterfeld seine Erfindung

Bitterfeld - Die Begeisterung war riesig in Bitterfeld. Rund 60.000 Menschen reisten in die Stadt, um die Erfindung des Kavallerieoffiziers Ferdinand Graf von Zeppelin zu bestaunen. „Die Nachfrage nach Zimmern in den Hotels war so stark, dass durchaus nicht allen Wünschen entsprochen werden konnte“, schrieb das Bitterfelder Tageblatt Ende August des Jahres 1909. Im Hauptamt der Kommune wurden für die erste Zeppelinankunft in der Stadt laut Zeitungsberichten zusätzliche Fernsprechdamen für die Kommunikation beschäftigt. Unweit des Landeplatzes nahe der heutigen Zeppelinstraße entstand ein ambulantes Telegraphenamt mit einzelnen Fernsprechzellen.
Graf Zeppelin übernachtete im im Kaiserhof
Nichts wurde dem Zufall überlassen. Zumal sich für die Landung des Zeppelin III am 28. August hohe Prominenz in Bitterfeld die Klinke in die Hand gab. Zunächst reiste unter anderem Graf Zeppelin selbst nach Bitterfeld, wo er im Kaiserhof gegenüber des Bitterfelder Bahnhofs sein Zimmer bezog. Dort kehrte auch wenig später der Kronprinz Wilhelm von Preußen ein. Vor dem Gebäude herrschte dichtes Gedränge. Jeder wollte den kaiserlichen Thronfolger und den Erfinder sehen.
Schließlich landete der mit Spannung erwartete Zeppelin am Abend des 28. August vor der Halle der Motorluftschiff-Studiengesellschaft. Menschen kletterten auf Häuser, um einen besseren Blick zu bekommen. Später durchbrachen viele die Absperrungen, damit sie der Innovation näher sind. Die Faszination an dem 136 Meter langen Giganten kannte keine Grenzen. „Die Luftschifffahrt in Bitterfeld steckte zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen. Daher waren die Zwischenlandung des Zeppelins und der Besuch der berühmten Gäste eine Besonderheit für die Stadt – ein Großereignis, das jeden hinter dem Ofen hervorlockte“, ordnet Steven Pick, Archivar im Kreismuseum, den Höhepunkt ein.
Dabei lief die Werbereise quer über das Deutsche Reich längst nicht ohne Probleme. Ein Propeller ging unterwegs kaputt und musste repariert werden, wie die Archive des Kreismuseums in Bitterfeld belegen. Der Zeppelin landete mit vielen Stunden Verzögerung in Bitterfeld. Auch schlechtes Wetter und ungünstige Winde sorgten für Verspätung.
Zudem konnte das Luftschiff vor seiner knapp 700 Kilometer langen Tour nur eine Probefahrt realisieren. In Bitterfeld war dabei der einzige planmäßige Zwischenhalt für die sechsköpfige Crew, die auf dem Weg nach Berlin war. Ein Ritterschlag für den Standort. Wenige Tage später schrieb die Magdeburgische Zeitung: „Bitterfeld wird, daran besteht kein Zweifel, die jüngsten Zeppelintage haben es gelehrt, die Zentrale der deutschen Flugtechnik.“ Dabei bot sich der Halt in der Stadt auch aus praktischen Gründen an: Durch die geplante Pause war die Ankunftszeit in Berlin zum Sonntagmittag leichter einzuhalten. Und Graf Zeppelin, der laut Berichten kränkelte, konnte so zumindest auf dem letzten Teil der Route bis Berlin mitfahren. (mz)

