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Vetter GmbH Vetter GmbH: "Der Bus hat eine Zukunft"

Von christine Färber 09.09.2015, 12:47
Hans-Jürgen Wolf ist seit 38 Jahren bei Vetter, 13 Jahre war er Betriebsleiter. Jetzt tritt er einen Schritt zurück.
Hans-Jürgen Wolf ist seit 38 Jahren bei Vetter, 13 Jahre war er Betriebsleiter. Jetzt tritt er einen Schritt zurück. andré kehrer Lizenz

salzfurtkapelle - Hans-Jürgen Wolf kennt die Firma wie seine Westentasche. Kein Wunder, ist er doch seit 38 Jahren Mitarbeiter der Vetter GmbH - davon 13 Jahre Betriebsleiter. In diesen Tagen hat er quasi den Staffelstab weitergegeben - in die Hände eines Jüngeren. „Das war so geplant“, sagt er. „Irgendwann muss ja so eine Entscheidung mal sein.“ Zwei Jahre, sagt er, wird er noch in der Firma sein und Nachfolger Andreas Fischer „auf diesem nicht einfachen Gebiet fachlich zur Seite stehen“.

Für das Unternehmen ist das die firmeneigene Philosophie: Das Haus zukunfts-, also wettbewerbsfähig, gestalten. Und das heißt, dass die Alten die Aufgabe an die Jungen weitergeben, sie in die Verantwortung einbinden, sie schließlich fit machen, das Ererbte weiter zu entwickeln und zu gestalten. Gerade jetzt muss eine harte Nuss geknackt werden - der Genehmigungswettbewerb steht bevor. Da geht es im wahrsten Sinne um das Fortkommen. Heute muss die Vergabe so einer umfangreichen Dienstleistung wie es der Öffentliche Personennahverkehr ist, europaweit ausgeschrieben werden. „Wir müssen uns gut vorbereiten. Das wird hart“, weiß Wolf. Dieser Aufgabe werden sich in den nächsten Wochen und Monaten die Erfahrensten der Firma, Geschäftsführer Wolfdietrich Vetter und Hans-Jürgen Wolf, nahezu ausschließlich widmen. Ist das geschafft, sagt er, ist auch ein Stück Zukunft gesichert. Die liegt jetzt - ganz praktisch gesehen - bereits in den Händen der Enkel des Firmengründers Wolfgang Vetter sen. Der nahm gleich nach dem Krieg sein Herz in die Hand: Mit einem Lkw, den ihm die Amerikaner bei ihrem Abzug schenkten und den er zu einer Art spartanischem Bus umbaute. Dieser Mann, der stets an seine eigene Inspiration und Stärke geglaubt hat, der die Leute motivieren konnte und ihnen Werte wie Vertrauen und Verlässlichkeit, Gemeinschaftsgeist und Entscheidungsfreude mitgegeben hat - diesen Mann verehrt Wolf heute noch, sagt er. „Er hat alle Leute mit ins Boot genommen, das war ein Zusammenhalt! Und das hat mich geprägt - bis heute. Mir hat er damals die Chance gegeben, als Kfz-Schlosser anzufangen.“ Der Chef ermunterte den jungen Mann, doch zu studieren. 1979 begann der ein Fernstudium in Gotha.

1946 beginnt die Geschichte des Fuhrunternehmens Vetter - mit einem Lkw, den die Amerikaner ihm zurücklassen, als sie aus Raguhn abziehen.

Die Firma floriert. Doch 1952 verabschiedet die DDR das „Gesetz zum Schutz des Volkseigentums und anderen gesellschaftlichen Eigentums“. Vetter soll sich beugen, seine Firma in Volkseigentum überführen. Er bleibt standhaft, wird schließlich inhaftiert. 1965 wird der Betrieb halb verstaatlicht. 1972 wird den Privatunternehmern das Betriebsvermögen vollständig entzogen, es wird in Volkseigentum umgewandelt.

1990 wird der Betrieb in die Hände der Familie zurückgeführt.

Heute sieht sich Wolf als „ein Gewinner der Wende“, wie er es ausdrückt: vom Kfz-Schlosser zum Leiter der Abteilung Berufsverkehr und schließlich zum Betriebsleiter. Da schrieb man 1992 und das Unternehmen stand vor großen Herausforderungen. Die sind gemeistert. Mit vielen Ideen und Engagement und Projekten. „Wir konnten auch viel entwickeln. Der Landkreis, unser Auftraggeber, hatte noch Geld. “ Das hat sich geändert, stellt Wolf fest. Jetzt müsse man improvisieren, sparen, nach Reserven gucken. Das zieht natürlich auch Kritik nach sich. Wem gefällt das schon, wenn „sein Bus“ plötzlich wegfällt, weil Linien ausgedünnt, zusammengelegt oder ganz eingespart werden? Trotzdem: Geht nicht, gibt’s nicht. „Man muss den Kunden immer eine Alternative bieten. Deshalb bin ich so stolz auf den Anrufbus, der schließt die Lücke im Angebot“, sagt er. „Wenn der Kunde die Alternative allerdings nicht annimmt, kann man ihm nicht helfen.“ Das habe er immer versucht, zu vermitteln. „Nicht Vetter, sondern der Landkreis ist verantwortlich für den ÖPNV.“

Die größte Errungenschaft aus seiner Sicht, sagt Wolf, ist der Rufbus, der 1995 auf die Strecke ging - der erste im Osten überhaupt. Die Jugend-Card für Berufsschüler, die Sparling-Card für Geringverdienende und anderes mehr. In Niederflurtechnik wurde viel investiert - für Fahrgäste eine unglaubliche Erleichterung. Vineta, Oldie-Bus, Tschu-Tschu-Bahn - auch das gehört längst zum Angebot der Vetter GmbH. „Aber nichts würde funktionieren ohne diese unglaublich motivierten, qualifizierten Mitarbeiter“, weiß Hans-Jürgen Wolf. „140 Omnibusse haben wir im Linienverkehr in Spitzenzeiten in einem Landkreis. Das muss man sich mal überlegen. Und wir sind in zwei Landkreisen präsent. Sieben Tage die Woche, das ganze Jahr.“ 180 Leute, vor denen er den Hut zieht, sagt er. Da gibt es keinen, den er nicht mit Namen kennt.

Um die Zukunft des Verkehrsmittels macht er sich keine Sorgen. „Der Bus hat immer eine Zukunft. Der ist flexibel und sicher. Und der Fahrpreis im Landkreis ist auch noch ein Vorteil. Wer ökonomisch und ökologisch denkt, nimmt das öffentliche Verkehrsmittel. Wer sporadisch unterwegs ist und unabhängig sein will, den werden wir nicht für den Bus gewinnen.“ (mz)