Verkehr Verkehr: Mobilität contra Gefahr

Bitterfeld-wolfen/MZ - Kann der Moped-Führerschein ab 15 Jahren dazu führen, dass junge Menschen sich der Verantwortung und der Gefahren im Straßenverkehr bewusst werden? Ein Modellversuch in Mitteldeutschland soll das zeigen. Seit dem 1. Mai dürfen 15-Jährige in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt den Führerschein für die Klasse AM machen. Darunter fallen Mopeds, Kleinkrafträder und vierrädrige Leichtkraftkraftfahrzeuge bis 45 Stundenkilometer. Doch Autoclub und Fahrschulen in Bitterfeld-Wolfen sehen diese Entscheidung durchaus skeptisch.
Helge Haun glaubt, die Jugendlichen sind nicht reif dafür. Der Vorsitzende des Autoclub Europa (ACE) im Kreis Bitterfeld unterstützt das Vorhaben daher nicht. „Junge Fahrer müssen begleitet werden“, sagt Haun. Er sei anfangs auch gegen den Pkw-Führerschein mit 17 gewesen, dann allerdings eines Besseren belehrt worden. Der Pilotversuch habe bewiesen, dass sich die Kontrolle des Beifahrers positiv auf die Jugendlichen auswirke.
Siegmar Herrmann, Inhaber der gleichnamigen Fahrschule in Bitterfeld, ist hin und her gerissen. „In den ländlichen Gebieten wollen und müssen die Jugendlichen mobil sein“, weiß er aus Erfahrung. Dennoch stellt sich für ihn die Frage, wie die 15-Jährigen mit der Situation umgehen. Zum einen werden hier die Fahrschulen in die Pflicht genommen. Ihre Aufgabe sei es, so Herrmann, die Jugendlichen intensiv auf den Verkehr und mögliche Gefahren vorzubereiten. Andererseits seien die 15-Jährigen noch sehr jung und damit unreif. Damit teilt Herrmann die Befürchtungen von Haun vom ACE.
„Die Reife bei den 15-Jährigen ist sehr unterschiedlich“, sagt Eva-Maria Winterling, ebenfalls Inhaberin einer Fahrschule in Wolfen. „Doch der Führerschein mit 15 ist einen Versuch wert“, glaubt sie. „Man wird austesten müssen, wie verantwortungsbewusst die jungen Fahrer sind. “
Das Risikopotenzial liegt jedoch nicht nur bei den Jugendlichen. Im Vergleich zur DDR, wo es schon einmal den Mopedführerschein mit 15 gab, sei heute viel mehr los auf den Straßen. „Damals war doch kaum ein Auto unterwegs“, sagt Herrmann. Haun ergänzt, dass es früher zudem mehr Kontrollen gab.
Hinzu kommt: Im Unterschied zum Autofahrer sind bei einem Unfall Moped- und Motorradfahrer kaum geschützt. Und Herrmann kann in der praktischen Ausbildung nicht einmal eingreifen. „Ich fahre ja nur hinterher. Da bleibt einem schon mal der Atem weg“, so der Fahrlehrer. Oft seien auch die Autofahrer ungeduldig, denn 45 Stundenkilometer lägen selbst in der Stadt unter dem Tempolimit. „Das birgt ein großes Risiko für Mopedfahrer“, so Herrmann. Ob und wie der Führerschein ab 15 von den Jugendlichen angenommen wird, ist noch offen. Für Herrmann spielen dabei auch die Kosten eine Rolle. Er rechnet mit 500 bis 600 Euro für die Ausbildung bis zur Prüfung. Zwar koste der Pkw-Führerschein ab 17 das Doppelte. „Aber mit diesem können Jugendliche auch Moped fahren.“
In Österreich können 15-Jährige seit 1997 aufs Moped steigen. Der ACE sieht das kritisch, denn die Unfallquote ist in dieser Altersklasse in Österreich hoch. 2009 kam es bei den 15-jährigen Mopedfahrern zu 1 680 Unfällen, fünf starben.