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Strom- und Dampfversorger Strom- und Dampfversorger: Enviatherm baut im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen sein Kraftwerk um

Von Christine Färber 27.08.2019, 05:00
Das Kraftwerk soll für die kommenden 20 Jahre fit gemacht werden.
Das Kraftwerk soll für die kommenden 20 Jahre fit gemacht werden. André Kehrer

Bitterfeld - Die Kunst besteht darin, aus wenig viel zu machen. Was sich einfach anhört, ist freilich schwer. Dirk Lauberbach, Prokurist bei Enviatherm, sagt: „Wir grübeln und überlegen, dass uns beim Denken Schweißperlen auf die Stirn treten.“

Und das mag sein angesichts dieser 26-Millionen-Euro-Mammutaufgabe, die sich der Energie- und Dampfversorger Enviatherm gestellt hat. Er modernisiert sein Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerk in der Parsevalstraße in Bitterfeld. Das ist im Jahr 2000 eigens errichtet worden, um Unternehmen vor allem im Chemiepark zu versorgen.

Jetzt liegt der Gigant quasi unterm Messer. Die große Operation besteht darin, dass mit weniger Erdgas die gleiche Menge an Dampf und Strom mit weniger Emissionen produziert wird. Die Emissionen, so Lauberbach, würden um die Hälfte gesenkt. „Das wollen wir und das wird.“

Zum Reinigen des Dampfkessels wird Dampf mit gewaltigem Druck durch dessen Rohrsystem gejag

Die Anforderungen, die an den Dampf gestellt werden, sind hoch: Der muss in chemisch sauberster Qualität, mit der korrekten Temperatur und dem erforderlichen Druck zu den Kunden kommen. Und das obendrein zu einem attraktiven Preis. Im ersten Bauabschnitt, der im April begann und nun endet, ist der Kessel, der den Dampf erzeugt, umgebaut worden. Um das zu erreichen, was gewollt ist, sagt Lauberbach, sind einige Raffinessen nötig gewesen. Und die richtigen Leute mit dem richtigen Know-how. Die übrigens kommen aus der Region, darauf habe Enviatherm Wert gelegt.

Vor Lauberbachs Bürofenster schwenkt ein 50-Tonnen-Kran ein riesiges Stahlteil vorbei. Es ist ein Schalldämpfer, erklärt der Fachmann. Das hat seinen Grund: Zum Reinigen des Dampfkessels an diesem Montag und Dienstag wird Dampf mit gewaltigem Druck durch dessen Rohrsystem gejagt. Entlädt sich der Druck, erklärt Lauberbach, dann knallt das, als würde ein Düsenflieger vorbeidonnern. Und trotz Schalldämpfer, sagt er, wird in der Stadt was davon zu hören sein.

Viel zu tun ist derzeit auch am „Gehirn des Kraftwerks

Durch den Kessel ziehen sich 220 rund 17 Meter hohe überhitzungsbeständige Edelstahlrohre. Alles, was nicht die 540 Grad Celsius und 70 bar Druck aushält, muss raus. Beispielsweise Partikel, die von hunderten  Schweißverbindungen herrühren. Dinge, die auf gar keinen Fall hingehören, wo Wasser durchlaufen soll, das komplett entsalzt ist. Da kann es nicht penibel genug zugehen. Auf einem Spiegel werden die Einschläge der Partikel, die aus den Rohren fliegen, gezählt. Dreimal wird die Prozedur wiederholt. Spätestens dann, sagt Lauberbach, ist alles ok.

Viel zu tun ist derzeit auch am „Gehirn des Kraftwerks“, wie Lauberbach die Computerzentrale nennt. Hier, wo internationale Experten wie Dirk Schatz, Sascha Lang und andere eine intelligente Dampfturbinen-Steuerung verkabeln und programmieren. Ein Wirrwarr - für den Laien. Lang lacht, für ihn hat das System. „Das ist nicht in der Schule zu lernen“, meint er, „und irgendwann ist es Tagesgeschäft.“

Die neue Steuerung für das Kraftwerk soll „soll die Intelligenz des Kraftwerks für die Zukunft sicherstellen“

Lauberbach, der Elektroingenieur, der 1997 schon mit diesem Kraftwerk auf dem Papier zu tun hatte, dann hier Betriebsleiter wurde und heute Prokurist ist, sieht das mit Interesse. „Diese Steuerung soll die Intelligenz des Kraftwerks für die Zukunft sicherstellen.“ Bei Enviatherm baut man da auf 20 Jahre und mehr.

Dass es im Werk läuft wie geschmiert, das haben die Leute in der Schaltwarte im Blick. Auch jetzt, da gebaut wird. Denn obwohl die Hauptanlage außer Betrieb ist, läuft hier das Alltagsgeschäft trotzdem weiter, unter anderem über das Blockheizkraftwerk auf dem Gelände.

Nächster Bauabschnitt soll im kommenden Jahr folgen

„Die Männer managen das Kraftwerk“, sagt Lauberbach und klopft Schichtleiter Thomas Bocho auf die Schulter. „Sie verwalten einen Wertumfang von 65 Millionen Euro. Haben sie ein gutes Gewissen, habe ich auch eins.“ Frank Maibaum nickt und meint fröhlich in die Runde: „Wenn der Chef kommt und ich habe die Füße still, weiß er, es ist alles ok.“

Auf dem Hof stehen Männer, die schon den zweiten, den weitaus größeren, Bauabschnitt im Blick haben. Ausgewiesene Spezialisten. Wie Projektleiter Jan Löffler von Enviatherm. Oder Norbert Hack aus Österreich mit seinen Leuten. „Seit 1999 komm ich daher“, sagt er vergnügt in seinem Dialekt. Er weiß, wie das Envia-Kraftwerk tickt. Weltweit sind seine Leute im Einsatz. Jetzt bereiten sie hier die Modifikation der Dampfturbine vor. Um die geht es dann ab dem Frühjahr des kommenden Jahres. (mz)

Das Kraftwerk ist eine der größten Gas-und-Dampf-Anlagen in Ostdeutschland. Pro Jahr werden hier 330 Millionen Kilowattstunden Dampf und 310 Kilowattstunden Strom auf Basis der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt. Das dient vor allen der Versorgung von Chemieunternehmen.

Die Modernisierung des Kraftwerks ist wesentlicher Bestandteil einer KWK-Strategie des Unternehmens. Seit 2014 hat Enviatherm vor allem in Blockheizkraftwerke investiert. Insgesamt wurden zehn Kraftwerke mit einer elektrischen Leistung von 73 MW errichtet.

Von außen sieht man nicht von der Kraftwerks-OP.
Von außen sieht man nicht von der Kraftwerks-OP.
André Kehrer