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"Hartz und herzlich" RTL2 "Hartz und Herzlich": Dritte Folge aus Bitterfeld-Wolfen

Von Gero Hirschelmann 26.09.2017, 22:15
Nadine soll eine Stromkosten-Nachzahlung von über 1000 Euro leisten. Da sie keine Ahnung hat, wie es dazu kommen konnte, will sie der Sache auf den Grund gehen. Wenn sie die Forderung nicht aus der Welt schafft, droht ihr die Kündigung ihrer Wohnung.
Nadine soll eine Stromkosten-Nachzahlung von über 1000 Euro leisten. Da sie keine Ahnung hat, wie es dazu kommen konnte, will sie der Sache auf den Grund gehen. Wenn sie die Forderung nicht aus der Welt schafft, droht ihr die Kündigung ihrer Wohnung. RTL II

Bitterfeld-Wolfen - Die einen sagen: So ist das Leben. Die anderen meinen: Die Schwächsten der Gesellschaft werden verunglimpft. Die dreiteilige RTL2-Dokumentation „Hartz aber herzlich“ hat mit den ersten beiden Folgen sehr zwiespältige Reaktionen hervorgerufen.

Der Wolfener Ortsbürgermeister spricht von Rufmord, auch eine Stadtentwicklerin kritisierte das Format. Andere Kommentatoren konstatieren, die Sendung wolle wirklich „Verständnis für die Wolfener wecken“.

Und der Sender ließ mitteilen: „Die Dokumentation versucht, eine möglichst realitätsnahe Abbildung des Lebens in den Plattenbauten zu zeichnen.“

Wolfen-Nord: „Sammelbecken für Menschen am Existenzminimum“

Es kommt eben darauf an, was man für die Realität hält. Die dritte Folge von „Hartz und herzlich“ am Dienstagabend zeigt am Anfang einen Abrissbagger, der offenbar einen der dortigen Wohnblocks dem Rückbau zuführt, wie es so vornehm heißt.

Der Sprecher hat eine klare Meinung: Wolfen ist ein „Sammelbecken für Menschen am Existenzminimum“. Abbruch von Immobilien, die vorher vom Bodensatz der Gesellschaft bewohnt wurden: Kann es noch schlimmer kommen?

Glücklicherweise stellt die Doku auch im dritten Teil ohne Voyeurismus die Menschen vor Ort dar. Was sind ihre Ängste, Hoffnungen, Wünsche? „Hartz und  herzlich“ porträtiert die Protagonisten, ohne sie zu denunzieren. Das ist schwierig, wenn eine Frau sagt: „Ich bin froh, ein Hartz IV-Empfänger zu sein.“

Brennpunkt Wolfen-Nord: Armut und Perspektivlosigkeit sind allgegenwärtig

Und natürlich hält die Kamera voll drauf, wenn Kinder in Ruinen spielen und Schuttberge die einzige Möglichkeit zu sein scheinen, in der Freizeit ein Abenteuer zu erleben. „Aus der Arbeiterstadt wurde ein sozialer Brennpunkt“, heißt es, und später: „Armut und Perspektivlosigkeit sind allgegenwärtig.“

Dennoch interessiert sich „Hartz und herzlich“ nicht nur für den Verlierer-Status der Menschen, die in Wolfen-Nord leben. Die Sendung will Beweis dafür sein, wie die Menschen das Beste aus ihrer Situation machen.

Kinder lachen, Männer und Frauen reden frei miteinander, entwickeln sogar ein brüchiges Selbstbewusstsein aus ihrer Situation.

Diese Szenen präsentieren Wolfener, die nicht klagen oder lamentieren, sondern fast trotzig darauf beharren, vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu sein – obwohl ihnen dafür oft das Geld fehlt.

Da ist Jenny, die mit 26 Jahren und vier Kindern alleine über die Runden kommen muss und will. Nadine hat Probleme mit einer Betriebskosten-Nachzahlung. Gerhards Finanz-Reserven bestehen aus alten Zeitungen, die er in seiner Garage hortet. Und Yvonne reißt sich ihren Kindern gegenüber zusammen, obwohl die Diagnose „Gebärmutterhalskrebs“ nichts Gutes verheißt.

„Hartz und herzlich“ in Wolfen-Nord: RTL2 zeigt Menschen auf der Schattenseite des Lebens

Fast behutsam folgt „Hartz und herzlich“ den Lebenswegen der Menschen in Wolfen-Nord, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden. Die Kamera ist ständiger Begleiter, wird aber von Jenny und Co. akzeptiert - vielleicht, weil sich das erste Mal seit langer Zeit jemand für ihr Leben interessiert. Das Ganze kommt nicht immer ohne Stereotype aus, natürlich nicht.

Trotzdem ist „Hartz und herzlich“ ein TV-Format, das nicht schockieren, sondern informieren will. Hier werden keine Verlierer vorgeführt. Nein. „Hartz aber herzlich“ will zeigen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist – auch in Wolfen-Nord. Und das gelingt. Denn wie sagt Jenny so schön: „Chancen sind Chancen, man kriegt immer eine Chance.“ (mz)