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Vorstoß im Stadtrat Retten Baumpatenschaften das Stadtgrün in Bitterfeld-Wolfen?

Ein Vorstoß von SPD, Grünen und FDP zu Baumpatenschaften sorgt für Streit in Bitterfeld-Wolfen. Gut finden fast alle die Idee. Doch bei den Folgen ist man uneins.

Von Frank Czerwonn 30.04.2021, 10:22
Regelmäßig werden in der Stadt Bäume gepflanzt - wie hier 2019 in der Wolfener Bahnhofstraße. Gibt es künftig zusätzlich Baumpaten?
Regelmäßig werden in der Stadt Bäume gepflanzt - wie hier 2019 in der Wolfener Bahnhofstraße. Gibt es künftig zusätzlich Baumpaten? (Foto: André Kehrer)

Wolfen - Bitterfeld-Wolfen soll Baumpatenschaften anbieten. Das fordert die Stadtratsfraktion SPD-Bündnisgrüne-FDP. Spätestens zur Pflanzzeit im Herbst sollen die ersten ermöglicht werden. Der Antrag zur Erarbeitung und Umsetzung eines entsprechenden Konzepts findet zwar inhaltlich Zustimmung.

Doch die konkrete Umsetzung dieser Idee wird teils heftig kritisiert - von der Stadtverwaltung ebenso wie aus den politischen Gremien. So haben die Ortschaftsräte von Holzweißig, Thalheim und Wolfen den Antrag bereits abgelehnt.

Die Fraktion will diese Patenschaften für einen Baum ab einem Betrag von 250 Euro als gemeinnützige Spende ermöglichen. Der Baum wird mit Namensschild und persönlichem Widmungstext versehen. Zudem soll ein Zertifikat über die Patenschaft übergeben werden. Möglich sein sollen Baumpatenschaften in allen Ortsteilen. Zuwendungen unter 250 Euro sollen zum Erhalt und der Nachpflanzung öffentlichen Grüns zugeordnet werden.

Aus Sicht der Stadtverwaltung kommt dieser Vorstoß aber zur falschen Zeit

„Bäume erhöhen die Qualität unseres Lebensraumes, verbessern die Sauerstoffproduktion, dienen dem Lärmschutz und fördern die Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt“, begründet Fraktionschef Christian Hennicke den Vorstoß. Baumpatenschaften, wie sie beispielsweise in Halle oder Leipzig existieren, seien gute Geschenke bei besonderen Anlässen - „vom 80. Geburtstag der Oma bis zum Firmenjubiläum“.

Aus Sicht der Stadtverwaltung kommt dieser Vorstoß aber zur falschen Zeit. Man solle erst das vom Stadtrat beschlossene Baumkataster erstellen lassen. „Dort könnten dann Baumstandorte festgelegt werden, für die eine solche Patenschaft realisierbar ist“, sagt Mario Schulze als Sachbereichsleiter Öffentliche Anlagen. Erschwerend komme hinzu, dass dies eine freiwillige Aufgabe wäre. „Angesichts der zu erfüllenden Pflichtaufgaben ist derzeit kein personeller Spielraum vorhanden, um ein Baumpatenschaftskonzept zu erstellen und umzusetzen.“

„Es geht ja um das Nachpflanzen, also um Bäume, die die Stadt sowieso setzen müsste“

Auch Dirk Weber, Leiter des Amtes für Bau und Kommunalwirtschaft sagt: „Wir lehnen das Vorhaben nicht grundsätzlich ab. Aber Sie müssen der Verwaltung die finanziellen und personellen Ressourcen geben, die dafür nötig sind“. Zudem warnt er, dass bei der Übernahme einer weiteren freiwilligen Aufgabe das Land einen Teil der Bedarfszuweisungen von 20 Millionen Euro zurückverlangen könnte.

Hennicke versucht, diese Einwände so zu entkräften: „Es geht ja um das Nachpflanzen, also um Bäume, die die Stadt sowieso setzen müsste.“ Allerdings steht das so nicht im Antrag. Und Hennicke widerspricht sich zudem selber, wenn er betont, dass durch die Baumpatenschaften mehr Bäume in der Stadt gepflanzt würden.

Bitterfelds Ortsbürgermeister Joachim Gülland (Linke) monierte, dass 250 Euro für viele Bürger eine Menge Geld seien

Die Debatten beispielsweise in den Ortschaftsräten von Bitterfeld und Wolfen, zeigen deutlich, dass es unterm Strich um mehr geht, als nur die Anschaffungskosten. „Die Bäume müssen gesetzt und gepflegt werden. Das bleibt an der Stadt hängen“, kritisiert Dieter Krillwitz (Pro Wolfen). „Und wer kommt für Vandalismusschäden auf?“ Eine Aufstellung all dieser Folgekosten fehle völlig. Auch die 250 Euro für einen Baum erschlössen sich ihm nicht. „Sie machen den zweiten Schritt vor dem ersten.“ Man solle das Baumkataster abwarten.

Bitterfelds Ortsbürgermeister Joachim Gülland (Linke) monierte, dass 250 Euro für viele Bürger eine Menge Geld seien. Das müsse man niedriger ansetzen. Und Klaus Gatter, Chef der Gemeinsamen Fraktion fragte: „Was geschieht, wenn so ein Bäumchen umgeknickt wird. Gibt’s dann das Geld zurück?“

Im Ortschaftsrat Wolfen fiel der Antrag mit fünf Nein, einer Ja-Stimme und zwei Enthaltungen durch

Peter Schenk (CDU) betonte ebenfalls, dass es inhaltlich wenig Gegenwind zum Vorschlag geben wird. Aber die Haushaltskonsolidierung mache Baumpatenschaften unmöglich. „Wir ziehen schon mit der Landesgartenschau die Spendierhosen an.“ Man solle erst das Baumkataster abwarten und dann die Kosten - auch für die Messingplatte, den Holzpfahl, die Pflege - und die Verantwortung für die einzelnen Arbeitsschritte bei einer Baumpatenschaft mit der Verwaltung abstimmen.

„Momentan können wir uns das jedenfalls nicht leisten.“ Im Ortschaftsrat Wolfen fiel der Antrag mit fünf Nein, einer Ja-Stimme und zwei Enthaltungen durch. In Bitterfeld gab es sechs Ja-Stimmen, aber neun Enthaltungen. Letztlich entscheidet der Stadtrat am 5. Mai. (mz)