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Reaktion auf Medienschelte Reaktion auf Medienschelte: Wie tickt Bitterfeld wirklich?

Von Stefan Schröter 15.03.2016, 20:55
Im Wahlkreis Bitterfeld erreichte die AfD 31,9 Prozent bei den Landtagswahlen und damit das beste Parteiergebnis landesweit.
Im Wahlkreis Bitterfeld erreichte die AfD 31,9 Prozent bei den Landtagswahlen und damit das beste Parteiergebnis landesweit. Kehrer/Ruttke

Bitterfeld - Nach dem starken Abschneiden der AfD im Wahlkreis Bitterfeld berichten mehrere Medien aus dem In- und Ausland über den hiesigen Erfolg der Rechtspopulisten. Dazu gehört auch Spiegel Online, das ein Reporterteam in die Stadt schickte und Einwohner befragen ließ. In dem entstandenen Video äußern sich die Menschen fremdenfeindlich, haben Sicherheitsängste und sprechen von Perspektivlosigkeit. Der Film will so den AfD-Erfolg erklären.

Die Stimmen in der Umfrage nagen am Ruf der Stadt. Spiegel Online titelte kurzzeitig: „Die schmutzigste Stadt Deutschlands“. Doch stimmt das Bild? Die MZ will wissen: Wie tickt Bitterfeld? Und hat am Dienstag ebenfalls Menschen in Bitterfeld zum Wahlausgang befragt.

Das Ergebnis fiel facettenreicher aus: Fremdenfeindlich äußert sich kaum jemand. Die Mehrheit der getroffenen redebereiten Personen zeigt sich eher erschrocken über das Wahlergebnis: „Dass viele Menschen Angst haben wegen der Flüchtlinge, kann man noch nachvollziehen. Aber muss man deswegen eine Partei wählen, die kein Konzept hat, sondern vor allem große Sprüche bringt?“, bemerkt der 18-jährige Jan Seifert aus Rösa. „Traurig“ findet den Wahlausgang die 42-jährige Marion Mosert. „Ich denke, die AfD-Wähler wissen nicht so recht, was sie gewählt haben.“ Nun werde es schwierig, eine neue Regierung zu bilden.

Die Bitterfelderin Christa Bartsch spricht von der „Naivität“ vieler Wähler: „Ich begreife es nicht. Wenn ich sehe, wie die Menschen der AfD hinterherlaufen, dann fasse ich mir an den Kopf“, sagt die 68-Jährige. Sie vermutet, dass viele Angst haben vor einem Jobverlust wegen der Flüchtlinge.

Ergebnis macht Angst

Ein anderer Bitterfelder fühlt sich hingegen beim Flüchtlingsthema übergangen. „Die Leute haben aus Gnatz die AfD gewählt. In der Stadt rennen mittlerweile mehr ausländische Kinder rum als Deutsche. Das Geld für die Flüchtlinge hätte man auch für deutsche Kinder ausgeben können.“ Er will aber seinen Namen ebenso wenig nennen wie ein anderer Passant.

Diesem sind 31,9 Prozent für die AfD im Wahlkreis 29 fast noch zu wenig. „Es ist eine Frechheit, was sich Frau Merkel traut“, sagt der Bitterfelder. Er selbst habe in seinem Haus nur Ärger mit den Flüchtlingen. Nun setzt er große Stücke auf die neue Partei: „Die AfD muss jetzt zeigen, was sie kann.“

Dagegen schrillen bei Hannelore Finke angesichts von mehr als 30 Prozent für die AfD die Alarmglocken: „Das Ergebnis ist beängstigend. Das hatten wir doch in der Vergangenheit schon mal. Viele der Wähler scheinen in der Schule nicht aufgepasst zu haben“, so die Bitterfelderin.

AfD ist keine Alternative

Auch der Sandersdorfer Karl-Heinz Claus hält die Wahlentscheidung für den falschen Weg: „Die Partei ist keine Alternative. Sie hat kein Programm“. Der 65-Jährige findet aber auch, die etablierten Parteien hätten die Entwicklung der AfD zu wenig ernst genommen.

Das Resultat ist jedoch „unschön für Bitterfeld“, meint Steffi Geißler. Zumal die AfD im Land wenig unternehmen könne, um beim Thema Flüchtlinge ihre Interessen durchzusetzen. Dabei seien Ängste vor Gewalt überzogen. „Ich habe da in der Region bislang keine Probleme mitbekommen“, so die Wolfenerin.

Kritik muss auch Spiegel Online für seine Umfrage einstecken. „Das linke Elbrevolverblatt auf Auslachtour durch den Osten“, beschwert sich ein Kommentator auf Facebook. (mz)