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Raguhn-Jeßnitz Raguhn-Jeßnitz: Revolte gegen Bürgermeister Berger

Von Lisa Garn 04.02.2015, 12:19
Bürgermeister Stadt Raguhn-​Jeßnitz
Bürgermeister Stadt Raguhn-​Jeßnitz Kehrer Lizenz

Raguhn-Jessnitz - In Raguhn-Jeßnitz fliegen wieder die Fetzen: Doch diesmal stellen sich alle vier Fraktionschefs im Stadtrat gegen den Bürgermeister Eberhard Berger (CDU). In einem offenen Brief entziehen sie ihm regelrecht das Vertrauen. Auf sechs Seiten, die der MZ vorliegen, werfen sie dem Stadtchef Inkompetenz, Konzeptlosigkeit und fehlende Kritikfähigkeit vor. Das Schreiben wurde in den Fraktionen beraten. Laut Vorsitzenden ist es im Namen aller Mitglieder unterschrieben worden. Was sie wollen? Im Grunde, dass Berger nicht zur Bürgermeisterwahl 2016 antritt, was er bereits angekündigt hatte.

Verhältnis zerrüttet

Das Verhältnis zwischen ihm und dem Stadtrat ist seit langem zerrüttet, 2012 drohte sogar ein Abwahlverfahren. Doch die teils heftigen Auseinandersetzungen entzündeten sich bisher eher an Einzelthemen. Der offene Brief nun ist eine Generalabrechnung der vergangenen Jahre. „Sie machen den Eindruck, dass Sie mit der Verantwortung überfordert sind. Ihnen fehlt es an Qualifikation und Kompetenz“, heißt es. „Das Image der Stadt Raguhn-Jeßnitz wird dadurch nachhaltig negativ wahrgenommen.“ Berger spalte die Stadt statt sie zu einen und hemme ihr Fortkommen. „Kritik tropft an Ihnen ab wie an Teflon.“

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Den Mitarbeitern in der Verwaltung fehle es an Führung und Koordination, sie würden mit ihren Aufgaben allein gelassen. Es gebe keine Dienstberatungen, keine Protokolle, um Themen abzuarbeiten. „Die hohen Krankenstände und die Überlastungsanzeigen vom Personalrat zeigen, dass mit Ihrer Organisation vieles nicht stimmt.“ Der Haushalt als „wichtigste Aufgabe des Bürgermeisters“ sei dafür ein Beispiel: Seit Jahren werde er zu spät erstellt, weil Berger seine Mitarbeiter nicht anleite. Ebenso wird seit langem ein Leitbild für Raguhn-Jeßnitz gefordert. „Es ist völlig inakzeptabel, dass ein gewähltes Stadtoberhaupt nach fünf Jahren keinen Kompass für die künftige Entwicklung vorlegen kann.“ Die Räte werfen ihm zudem vor, dass Stadtratssitzungen nicht nachbereitet würden. So würden Beschlüsse nicht oder mangelhaft umgesetzt. Zudem fehlten für viele Probleme Lösungsvorschläge, sie würden lediglich an die politischen Gremien übertragen. „Wir haben den Eindruck, dass Sie vieles nicht sehen oder sehen wollen. Ihre Arbeitsweise ist das Klein-Klein - nur Stückwerk. Das große Ganze haben Sie nie im Blick.“

Interview bringt Fass zum Überlaufen

Berger spiele Ortschaften und Fraktionen gegeneinander aus und stelle Sachverhalte öffentlich falsch dar. Das Fass zum Überlaufen brachte in diesem Zusammenhang wohl das Interview, das am 9. Januar in der MZ erschienen war. Der Bürgermeister führte darin für die Konflikte eine Gegnerschaft der Ortsteile und auch polemische Äußerungen von Stadträten an. „Manchen werde ich es nie recht machen: Egal, was ich mache, es ist falsch oder wird falsch aufgefasst. Manchmal ist das wie im Kindergarten“, erklärte er. Als „diffamierend und beleidigend“, werten die Stadträte diese Äußerungen in ihrem Brief und fordern: „Integrieren Sie statt zu polarisieren.“ Zum anderen hatte sich das Stadtoberhaupt zur Raguhner Begegnungsstätte erklärt, bei der 2014 die Kosten explodierten und ein Baustopp verhängt wurde. Die Stadt als Bauherr sei zu wenig informiert worden, einige Arbeiten seien nicht abgesprochen gewesen. Berger ruderte danach zurück und entschuldigte sich für eventuelle Missverständnisse.

Doch es ist offenbar zu spät. „Sie sollten sich schnellstens über die Frage einer weiteren Kandidatur Gedanken machen“, fordern die Stadträte. Der Bürgermeister solle zudem in der Zeit bis zur Wahl Defizite unter anderem durch Weiterbildungen abbauen, ein Personalkonzept vorlegen, Stadtratssitzungen besser vor- und nachbereiten.

Berger erklärte am Mittwoch aus dem Urlaub knapp: „Es gibt eine Meinungsfreiheit. Die habe ich in Anspruch genommen und akzeptiere sie auch bei anderen. Allerdings sehe ich in dem Brief zum Teil Verleumdungen, dagegen werde ich aber nicht vorgehen.“ Ob er Änderungen in seiner Amtsführung erwägt, ließ er offen. (mz)