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Porträt Porträt: Den Stallmeister kümmert auch Mist

Von Dieter Maertins 07.06.2002, 17:40

Wolfen/MZ. - Noch bis Sonntag steht die blau-gelbe Zeltstadt von Circus Renz-Berlin in Wolfen-Nord. 50 Wagen haben hier rings um das große Manegenzelt Aufstellung genommen. In Zeltstallungen stehen an die 50 Tiere - darunter Elefanten, Büffel, Pferde, Lamas, Kamele . . . Etwa 30 Zirkusleute haben gegenwärtig ihr Domizil auf Zeit in der Fuhnestadt gefunden.

Unter ihnen Alexander Arrigoni, den alle im Circus Renz eigentlich nur Alex nennen. Und wie nicht anders zu erwarten, ist er ein Urgestein der Zirkuswelt. Alex Arrigoni verkörpert in fünfter Generation Artisten-Familientradition. Der Ur-Ur-Urgroßvater war Seiltänzer. 1932 im Zirkus geboren, wagte sich Alex schon mit drei Jahren in die Manege. Ab dem achten Lebensjahr war sie praktisch sein tägliches Zuhause.

Vielleicht werden sich ja die älteren Zirkusfreunde an die "Vier Arrigonis" erinnern. Die Kunstreiter waren in den 50er und 60er Jahren in vielen Manegen eine Attraktion. Bei Busch, Sarasani und anderen traten sie auf, in ganz Europa, in Nordafrika oder Südost-Asien waren sie zu bewundern. "Wir waren weltweit die einzigen, die mit der rotierenden Leiter zu Pferd auftraten", sagt der Berliner, der aber sofort meint, dass das alles eigentlich gar nicht so wichtig sei, weil eben schon lange her. "Das war vorgestern, wo ich noch jung war", sagt er. Und doch hütet er die Bilder von damals wie einen Schatz und hat sie immer griffbereit.

Anfang der 60er Jahre erlitt Arrigoni in der Mange einen Unfall, ein Knie ging kaputt. Das wuchs zwar wieder zusammen, aber als Artist konnte er fortan nicht mehr arbeiten. Er wurde Busfahrer bei der Berliner Verkehrsgesellschaft und blieb es bis zum 65. Lebensjahr. "Dann schmissen sie mich raus". Doch statt es sich als Rentier gemütlich zu machen, wählte er das Leben im Zirkus von Bernhard Renz jun. Beide kannten sich natürlich und schon vor der Pensionierung half Arrigoni hin und wieder mal aus - im Urlaub, an freien Tagen. "Im Zirkus wird immer jede Hand gebraucht", sagt der.

Seit fünf Jahren ist Alex Arrigoni nun ständig bei Circus Renz-Berlin. "Er ist unser Stallmeister", sagt Bernhard Renz jun. Eher Futtermeister und Lehrmeister für Reitartistik, konkretisiert Arrigoni sein Metier. "Kennt ihr nicht jemanden, der Mist braucht?", fragt er die Zeitungsleute. Klar doch - ein Futtermeister muss sich auch um diese Frage kümmern. Und wer die munteren Racker beobachtet, die sich bei den Pferden tummeln, kann sich gut vorstellen, was es heißen kann, sie beim Reitunterricht zu zügeln. "Den'' hau'' ich den A . . . voll", sagt Arrigoni, und weiß selbst, dass dies absolut nicht ernst gemeint ist. Überhaupt, Arrigoni sprüht vor Humor, auch was seine Person angeht.

Was seine Familie von seinem nahezu permanenten Herumziehen hält? Die habe vollstes Verständnis, sagt er. Und immer sei er ja auch nicht weg, Wenn Circus Renz demnächst Station in oder bei Berlin macht, will er mal wieder für etwas länger daheim vorbeischauen. Aber: "Ein bisschen weg von Zuhause ist auch mal nicht schlecht", sagt Arrigoni mit einem verschmitzten Lächeln. Um an anderer Stelle zu sagen: "Wieder Zuhause zu sein, ist auch ganz schön."