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«Not-Operation» vor der Therapie

Von Matthias Bartl 14.02.2008, 19:04

Zörbig/MZ. - An Ideen für das so imposante wie desolate Gebäude an der Radegaster Straße mangelt es den Zörbigern wirklich nicht.

Akutes Problem

Das Problem ist nur, dass die Ideen momentan nicht Priorität haben. "Wir müssen erst einmal das Gebäude retten", holt Ingo Mundt alle Zukunftspläne in die Realität zurück. Mundt ist Ministerialrat. Im Kultusministerium des Landes ist er für u. a. für Denkmalpflege zuständig - und das Denkmal in Zörbig braucht viel Pflege. Im vergangenen Jahr, so Dr. Holger Brülls, Gebietsreferent des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, sei das Dach des einstigen Orgelmontagesaals eingestürzt. "Damit haben wir jetzt ein akutes Sicherungsproblem", so Brülls und warnt: "Das hält nicht mehr lange. Da muss jetzt was passieren. Bisher hat es gegammelt, jetzt verfällt's."

Am Mittwoch waren Vertreter der Stadt, des Kreises und weitere am Erhalt Interessierte gleich im Dutzend zur Bestandsaufnahme vor Ort. Darunter mit Bernd Hurich auch der Besitzer des Objekts, das er Mitte der 90er Jahre erworben hat - um Wohnungen zu vermieten. Inzwischen ist der Hofflügel saniert worden; ein Orgelbauer hat sich angesiedelt und ist wenigstens zeitweise anwesend. In den Eigentumsverhältnissen ist eine Kern-Schwierigkeit begründet: Die öffentliche Hand müsste in Privateigentum investieren - was nicht so ohne weiteres möglich ist. Mundt hatte anschließend einen Rat parat, der einen Weg aus dem Teufelskreis zeigen könnte. Die Stadt Zörbig könnte ihr Sanierungsgebiet ausdehnen, damit auch die einstige Orgelfabrikation in dieses Gebiet hineinkommt. Und dann natürlich auch Privateigentümer Fördermittel zur Erhaltung wichtiger Bausubstanz beantragen können.

Deren Bedeutung Brülls gar nicht genug unterstreichen konnte. Es gebe in Deutschland vielleicht noch ein Dutzend gründerzeitlicher Orgelbauwerkstätten, aber keine wie die Zörbig, die baulich unverändert geblieben ist. Rühlmann, ein Schüler von Friedrich Ladegast, war einer der erfolgreichsten Orgelfabrikanten des späten 19. Jahrhunderts. Rund 500 Orgeln sind aus seiner Fertigung bekannt, vorrangig sind sie in der unmittelbaren Nähe von Zörbig zu finden. Eine Rühlmann-Orgel gibt es zum Beispiel auch in der Kreisstadt Köthen, wo sie in der Agnus-Kirche zu finden ist.

Blick in die Zukunft

Rühlmanns Bedeutung und der Umstand, dass seine Orgelbauschule gut erforscht ist, sind letztlich in besonderem Maße dazu angetan, den Blick doch über das akute Sicherungsproblem hinaus auf die Zukunft zu richten, was nach der "Not-Operation" quasi therapeutisch notwendig wäre, um Zörbig zum einen das stadthistorisch wertvolle Objekt zu erhalten und es zum anderen mit Leben zu erfüllen, es touristisch zu vermarkten.

Die Stoßrichtung dabei ist für Mundt und Brülls ganz klar - zumindest von den Rahmenbedingungen her. "Es geht um eine museale und ökonomische Nutzung", bekräftigt Brülls. Und Mundt will sich Gedanken machen über eine mögliche Unterstützung des Landes, drängt aber ebenso auf eine "selbsttragende Nutzung". Wie immer die auch aussehen wird - der riesige Montagesaal wird in dem Konzept eine entscheidende Rolle spielen; eventuell als Standort für den "Zörbiger Zwilling", eine pneumatische und eine mechanische Rühlmann-Orgel, die museal und konzertant genutzt werden könnten. Denn trotz aller akuten Sorgen - ein bisschen weiter nach vorn schauen muss in Zörbig auch erlaubt sein.