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Nicht nur im Vatikan-Staat ganz Ohr

Von SYLVIA CZAJKA 24.08.2009, 16:41

WOLFEN/MZ. - Manchmal erwartet sie der Hauptgewinn. Manchmal. Der "Jackpot" knistert nicht in Form von Euro-Scheinen. Ihr "Jackpot" geht durchs Ohr. Falko Zeisler und sein Team haben den Dreh raus. Mit einer einfachen Handbewegung holen sie sich die Welt nach Hause.

Ob in Marke, Zscherndorf, Dessau oder Oranienbaum - die Amateurfunker des Radio Clubs Wolfen (RCW) sind empfangsbereit. Am Fuße der Wolfener Stadtwerke haben sie sich ihre Clubstation eingerichtet. Der Schornstein des Energieversorgers ist bereits "besetzt". Mit dessen Hilfe und einer 120 Meter hohen Antennenanlage als "Sahnehäubchen" pflegen sie Freundschaften, lernen sie Menschen rund um den Erdball kennen. Hier gehen die Träume von Fred Burger & Co. in Erfüllung.

Ob Klavierstimmer, Lehrer, Arzt oder Pilot - den Freitagabend halten sie sich frei. Dann ist für sie Sendezeit. Fred Burger ist Elektro- und Rundfunkmechanikermeister. Zum wöchentlichen Treffen kommt er aus Oranienbaum. Natürlich könnte er auch Zuhause den internationalen Kontakt aufnehmen. Dafür hat er gesorgt. Von der Antenne in seinem Garten könnte man auf sein Haus blicken. Doch das sei nicht alles. Nicht für ihn und nicht für die 31 Mitglieder des Radio Clubs.

Was zählt, sei auch die Gemeinschaft, sagt Fred Burger. "Hier stimmt der menschliche Zusammenhalt noch." Bereits im Alter von acht Jahren bastelte er sich sein erstes Funkgerät, erinnert sich Burger. 1963 absolvierte er seine Lizenzprüfung. Auch bei Ehefrau Roswitha hat es gefunkt. "Und es funkt immer noch", meint er lächelnd. Er habe sie mit der Welt der Frequenzen, QSL-Karten und Rufzeichen bekannt gemacht. Hinter Buchstaben- und Zahlen-Reihe DL0HWO verbirgt sich die Clubstation und unter DL2HZH Fred Burger aus Oranienbaum. Es ist quasi ein geschützter Markenname, weltweit einmalig. Das persönliche Rufzeichen kann jeder Amateurfunker erst sein Eigen nennen, wenn er dafür eine Prüfung abgelegt hat, informiert der Wolfener Falko Zeisler, der Vorsitzende des RCW. Um die zu bestehen, sind Kenntnisse über Technik, Gesetzeskunde und die Abwicklung von Funkbetriebstechnik notwendig. "Ohne Fleiß eben kein Preis."

Der Lohn für die Mühe, die eigentlich keine ist, meinen die Amateurfunker des RCW, sind der Kontakt und die Gespräche mit Menschen aus aller Welt, die auf gleicher Wellenlänge liegen. Hans-Joachim Vogl ist dafür schon auf viele Berge gestiegen. Der besondere Kontakt wie mit dem Vatikan oder der Internationalen Raumstation ISS mache für ihn auch den Reiz aus. Zwei Jahre musste er sich in Geduld üben, bis er Nachricht aus dem Vatikan empfing. Seinen Hauptgewinn am Ohr hatte. Den Funkkontakt mit diesem besonderen Staat bestätigt ihm eine so genannte QSL-Karte. Eine wahre Rarität, berichten die Fachleute. Wann sie den Funker erreicht, sei nie abzuschätzen. Auf manche warte man Jahre. Doch diese dann in den Händen zu halten, sei ein ganz besonderer Moment.

Besonders begehrt seien QSL-Karten aus Ländern, in denen es wenige Funkamateure gibt, aber auch welche von prominenten Funkamateuren wie von Juan Carlos, dem König von Spanien. Jens Home, Lehrer am Liborius-Gymnasium in Dessau, hütet auch so eine besondere QSL-Karte. Es sei kein prominenter Mensch gewesen, mit dem er in Kontakt stand. Aber ein besonderer, sagt er. Als vor ein paar Jahren in der Türkei die Erde bebte, war es ein Funkamateur, der Hilfe in sein zerstörtes Dorf holte. Der Kontakt zur Außenwelt war abgeschnitten, Telefonverbindungen unterbrochen, erinnert sich Homes türkischer Gesprächspartner am Funkgerät.

"Wenn die Welt nicht mehr funktioniert, dann können Funkamateure zu Rettern werden", wissen die Mitglieder des RCW. Meist wird in Englisch kommuniziert. Was so erzählt wird? Man spricht übers Wetter, die Familie, den Job und tauscht sich über die Funktechnik aus. So entstehen internationale Freundschaften und bei Treffen der Funkamateure kann es vorkommen, dass man sich Auge um Auge gegenübersteht. Das seien immer große Momente, berichtet Falko Zeisler. Das Leben ohne Funkgerät kann sich das RCW-Team heute nicht mehr vorstellen. Die Faszination "on air" ist ungebrochen. Auch in Wolfen. Denn die Clubstation begeht 2010 bereits ihr 50-jähriges Jubiläum.

Wissen auch dem Nachwuchs zu vermitteln, das ist der Anspruch der Mitglieder. "Wir wollen versuchen, Jugendliche von der Straße zu bekommen, ihnen ein sinnvolles Hobby zu vermitteln", meint Hans-Joachim Vogl. "Jeder ist bei uns willkommen", laden die Funkamateure zum Besuch ihrer Clubstation am Fuße des Schornsteins der Wolfener Stadtwerke gern ein. Dorthin, wo die Welt ganz Ohr ist.

Nähere Informationen gibt es unter darc.de / distrikte / w / 28