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Nach der Flut Nach der Flut: Fast alle Flächen hin

Von Iris Lademann 10.11.2002, 17:45

Priorau/MZ. - Die Internationale Gartenbauausstellung in Rostock im kommenden Jahr, an der Claus-Dieter Voigt teilnehmen wollte, ist von einem Tag auf den anderen in weite Ferne gerückt. Andere Dinge sind seit jenem Tag im August, als sich das Wasser der Mulde nach dem Dammbruch hinter der Baumschule ungebremst seinen Weg durch Priorau bahnte, wichtiger geworden. Denn jetzt geht es ums nackte Überleben der Firma.

Dass das Wasser auch 70 Zentimeter im Haus stand, scheint angesichts der vernichteten Flächen, Pflanzen und Bäume zweitrangig. Doch das Wohnhaus aus Massivholz hat schon sehr gelitten. Die schlimmsten Schäden im Büro sind inzwischen beseitigt. "Wir haben die Holzwände abgeschliffen und wieder lackiert, den Fußboden herausgerissen und erneuert, ebenso die Heizungsanlage", zählt Birgit Voigt auf. "Und in der ersten Etage fallen die Fliesen von den Wänden." Holz arbeite nun einmal.

Niedergeschlagenheit und hilflose Wut macht sich im Hause Voigt breit. Obwohl an offizieller Stelle bekannt ist, dass zwischen 75 und 80 Prozent der Produktion hin ist, ein Großteil der Flächen nicht genutzt werden kann, weil sie mit Öl verseucht sind und das kleine Unternehmen mehr oder weniger vor dem Aus steht, sei von Seiten des Landes noch kein Pfennig Fluthilfe gezahlt worden.

Die 15 000 Euro Soforthilfe und die 20 000-Euro-Spende, die Landrat Uwe Schulze persönlich überreicht habe, sind angesichts eines Millionenschadens zwar eine Hilfe, aber ein Tropfen auf den heißen Stein. "Wir halten uns gegenwärtig mit dem Verkauf von Großbäumen über Wasser, die wir kurzfristig geordert haben", sagt Gärtnereimeisterin Birgit Voigt. Wenn das Land nicht schnellstens sein Versprechen einlöse, dann sei es für die Baumschule Voigt mit vier Mitarbeitern und vier Azubis zu spät.

Alles hat das Ehepaar in Haus und Grund gesteckt. Aufbau und Produktion nahmen sehr viel Zeit in Anspruch. "Bis 1996 sind wir kaum auf den Markt gegangen", erinnert sich die 38-Jährige, die gemeinsam mit ihrem Mann vor zehn Jahren ihre sichere Existenz bei Hamburg aufgegeben hat, um sich in Priorau einer neuen Herausforderung zu stellen. Dass die Mulde für ihre Existenz einmal eine Bedrohung werden könnte, daran habe keiner von Beiden gedacht. Schließlich sei man an der Küste in alteingesessenen Baumschulenfamilien groß geworden.

Die Baumschule Priorau ist aber nicht nur ein Meisterbetrieb, sondern eine anerkannte Markenbaumschule. Das heißt, dass in regelmäßigen Abständen Qualität, Gesundheit, ökologische Produktion, Organisation und Sauberkeit geprüft werden. Urkunden von Bundesgartenschauen in Magdeburg und Potsdam schmücken die Wände im Büro. Mehrere Gold-, Silber- und Bronzemedaillen konnte Voigts Baumschule bisher auf sich verbuchen. "Wenn doch wenigstens die Bodenproben etwas schneller gingen." Claus-Dieter Voigt geht das alles viel zu langsam. Er will schnellstens wieder loslegen, obwohl er noch gar nicht so recht weiß, wie. Es sei nicht nur schwer, auf den fahrenden Zug wieder aufzuspringen, sondern es sind einige Dinge unwiederbringlich verloren, so auch seltene Gehölze, die er vom Vater geerbt hat.