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Nach der Flut Nach der Flut: Daniel-Ailine hätte viel zu erzählen

Von Iris Lademann 27.08.2002, 17:23

Wolfen/MZ. - Wenn Daniel-Ailine schon sprechen könnte, dann hätte sie viel zu erzählen. Als allererstes würde das am 17. August geborene Baby wohl darüber berichten, wie gut sie und ihre Eltern nach der Geburt im Wolfener Big-Hotel aufgenommen worden sind. Dieses hatte nämlich unmittelbar nach Bekanntwerden der Evakuierung eines Teils von Bitterfeld Hochwasseropfer aufgenommen.

Es war in der Nacht zum 16. August, als Familie Dengler, wie viele andere auch, Hals über Kopf die Wohnung in der Bitterfelder Ziegelstraße verlassen mussten. Zwei Reisetaschen mit dem Nötigsten wurden in aller Eile gepackt. Nur der "Babykoffer" stand für die Klinik griffbereit. Denn schließlich sollte für den großen Tag alles perfekt sein. Doch es kam anders.

Die hochschwangere Simone Dengler wurde sofort in die Klinik gefahren. Der Vater indes wartete im Wolfener Big-Hotel auf die Rückkehr seiner beiden Frauen. "Wenn wir hier keine Aufnahme gefunden hätten, dann wäre ich ganz sicher in der Klinik geblieben", erklärt die 28-Jährige. "Mit einem Neugeborenen in der Turnhalle, das wäre nicht gegangen."

Verständnisvoll lächelt der künftige Patenonkel. Es ist der Manager des Big-Hotels, Roland Füchtey. Seinem schnellen und unbürokratischen Handeln haben es die gegenwärtig noch 88 Flutopfer zu verdanken, dass sie nicht in Turnhallen untergebracht werden mussten. "Die Situation habe ich wie Tausende andere auch im Rundfunk und Fernsehen verfolgt", erinnert sich Füchtey noch an jenen 16. August, an dem auch Bitterfelder evakuiert wurden.

Er sei zuerst in die Turnhalle im Krondorfer Gebiet gefahren, um vor allem Eltern mit kleinen Kindern und alten Menschen Zimmer in "seinem" Hotel und dem dazu gehörigen Wohnheim anzubieten - kostenlos versteht sich. Danach sei er in die Jahnturnhalle gefahren. "Ich habe gleich eine Familie mit drei kleinen Kindern mitgenommen." Es klingt, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass insgesamt 96 Betroffene Aufnahme gefunden haben - auch ältere Menschen, die von der Awo in Bitterfeld betreut werden und Behinderte. Dabei hatte der Manager noch nicht einmal mit dem Hotel-Inhaber gesprochen, der sich aus geschäftlichen Gründen im sächsischen Grimma aufhielt. Hans-Jürgen Luthardt hatte keinerlei Einwände.

Seither hat sich der Tagesablauf für Roland Füchtey und sein 24-köpfiges Team - zu dem auch zehn Azubis gehören - völlig verändert. Geschlafen wird nur wenig. Denn wenn er das Frühstück für die Flutopfer hat herrichten lassen, dann geht es auf Tour. Da wird mal ein Sack Kartoffeln "geschnorrt", Gemüse, Brot oder Brötchen. Und wenn einmal keine Babynahrung oder Milch da sind, dann wird in die "eigene" Tasche gegriffen. "Die Awo sorgt für ihre Leute selbst", schränkt Füchtey ein. Und weil das noch immer nicht genug Arbeit über den Tag ist, wird des nachts dort geholfen, wo Bitterfeld noch immer am meisten bedroht ist - an den Dämmen. Dabei hat er die jungen Männer der evakuierten Familien an seiner Seite.