1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Michael Laue aus Pouch: Michael Laue aus Pouch: Vom Schülerlabor zur Nobelpreisverleihung

Michael Laue aus Pouch Michael Laue aus Pouch: Vom Schülerlabor zur Nobelpreisverleihung

Von stefanie greiner 04.10.2013, 18:38
Der 18-jährige Michael Laue aus Pouch sieht seine Zukunft in der Chemiebranche. Seit Anfang des Monats studiert er in Leipzig.
Der 18-jährige Michael Laue aus Pouch sieht seine Zukunft in der Chemiebranche. Seit Anfang des Monats studiert er in Leipzig. andré kehrer Lizenz

bitterfeld-wolfen/MZ - Empfang im Bundeskanzleramt in Berlin, Wissenschaftsmesse in Phoenix (USA), EU-Forschungswettbewerb in Prag: Und was kommt als nächstes? Die Nobelpreisverleihung in Stockholm! Michael Laue schmunzelt. Zur Verleihung fährt der 18-Jährige dieses Jahr tatsächlich. Die Einladung hat er bereits vergangenes Jahr bekommen - als Preis für seinen zweiten Platz beim Bundeswettbewerb „Jugend forscht“.

Am 10. Dezember wird in Stockholm die renommierte Auszeichnung verliehen, die bereits Ernest Rutherford, Carl Bosch und Marie Curie bekommen haben. Nun ist also auch der junge Mann aus Pouch (Anhalt-Bitterfeld) dabei. Zumindest als Zuschauer. Doch schon das ist eine Ehre für den Chemie-Freak, der lieber Fachbücher liest als in Romanen zu schmökern.

Wie wäre es denn, selbst auf der Bühne zu stehen und den Preis zu bekommen? Der junge Mann mit dem Schnurrbart schaut verlegen auf seine Hände, die er auf seinem Schoß übereinandergelegt hat. Diese Frage scheint ihm unangenehm zu sein. Er sitzt auf einem Stuhl am Fenster des Schülerlabors im Technologie- und Gründerzentrum Bitterfeld-Wolfen. Das Labor ist mittlerweile zu seiner zweiten Heimat geworden, der weiße Kittel, den er trägt, inzwischen fast zu seiner zweiten Haut. Der 18-Jährige lebt für die Chemie.

Bescheidener Sieger

Auch damit, dass er schon mehrere Wettbewerbe gewonnen hat, rückt der ehemalige Schüler des Europagymnasiums „Walther Rathenau“ in Bitterfeld im Gespräch zunächst nicht raus.

Als diesjähriger Chemie-Bundessieger bei „Jugend forscht“ hatte sich Michael Laue für das Treffen der besten Jungwissenschaftler Europas qualifiziert, das Ende September in Prag stattfand. Er hatte ein Verfahren zur Herstellung leitender Kohlenstoffschichten durch chemische Umwandlung von Graphenoxid entwickelt und dort vorgestellt.

Graphen? Der 18-Jährige grinst und erklärt geduldig: „Graphit besteht aus Kohlenstoffschichten. Jede einzelne Schicht bezeichnet man als Graphen.“ Reißfester als Stahl, härter als Diamant und nur ein Millionstel Millimeter dünn: die Kohlenstoff-Modifikation gilt als Material der Zukunft, gar als Wunderstoff. Denn das Maschendrahtmolekül leitet elektrischen Strom weitaus besser als herkömmliche Materialien.

„Graphen soll im Bereich der Computertechnik eventuell auch mal Silizium ablösen“, sagt Michael Laue. Noch ist Silizium in der Halbleiterindustrie unverzichtbar. Bald jedoch könnte Graphen das herkömmliche Material verdrängen. Denn mit ihm würden sich schnellere Schaltelemente konstruieren lassen. Eine Revolution in der Computerbranche. Um Graphen aber in der Industrie nutzen zu können, muss es in großen Mengen hergestellt werden. Und an dieser Stelle kommt Michael Laue ins Spiel. Mit seiner Methode ist genau das möglich.

Auf das Thema war er durch die Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ gekommen. „Da war ein Artikel über Graphen drin. Der hat letztendlich dazu geführt, dass ich auf diesem Gebiet was machen wollte“, sagt er. In Prag konnte Michael Laue mit seinen Untersuchungen auch die international besetzte Jury beeindrucken. Der junge Forscher aus Pouch bekam am Ende einen Sonderpreis. Er darf eine Woche lang bei der Forschungseinrichtung European Synchrotron Radiation Facility im französischen Grenoble hinter die Kulissen schauen. Das Zentrum betreibt den größten für die Forschung errichteten Teilchenbeschleuniger in Europa.

Einer, der schon lange an Michael Laues Erfolg geglaubt hat, ist Egbert Lange. Der Chemiker hat den heute 18-Jährigen als Mitarbeiter des Schülerlabors vier Jahre lang begleitet. „Er ist hochintelligent, zuverlässig und fleißig“, sagt er über Michael Laue und fügt hinzu: „Wir hoffen, dass aus ihm was Hervorragendes wird.“

Studium in Leipzig

Der nächste Schritt führt den 18-Jährigen nun nach Leipzig. Seit Anfang Oktober studiert er dort Chemie. Nach dem Bachelorabschluss will er den Master dranhängen. Wie es danach weitergeht, weiß er noch nicht. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich eher in die Forschung gehen möchte oder in die Industrie“, sagt er. Beiden Wegen könne er etwas abgewinnen. „In der Forschung hätte ich größere Freiheiten. Ich könnte meine Interessen ausleben“, sagt er und stutzt. „Das geht natürlich auch in der Industrie. Da bin ich dann auch näher am Verbrauch der Materialen dran.“

Schon jetzt steht aber fest: Der Chemie bleibt er treu. Und damit der Naturwissenschaft, mit der er in der siebten Klasse das erste Mal in Berührung kam. Zumindest auf schulischer Ebene. Denn Chemie sei überall - in Nahrungsmitteln, in Medikamenten. „Man kann sich ein Leben ohne Chemie nicht vorstellen“, sagt er. Genau das fasziniere ihn so.

Vorgezeichnet war sein Weg aber nicht. „Meine Eltern haben mit Chemie nichts zu tun“, sagt er. Sein Interesse sei einfach gewachsen. In der Schule fiel seine Begabung schließlich auf. „Meine Mitschüler waren stolz, so jemanden in der Klasse zu haben. Es war nicht so, dass mich das zum Außenseiter gemacht hat“, sagt der 18-Jährige. Ein Besserwisser sei er auch nicht gewesen. Lehrer fachlich zu korrigieren, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. „In vielen Bereichen war der Unterrichtsstoff genauso neu für mich wie für andere auch“, sagt er.

Heute bedauert Michael Laue jedoch, dass die Praxis im Unterricht ein wenig kurz gekommen ist. „Es wird mehr Wert auf die Theorie gelegt und weniger Wert auf die Experimente.“ Bei Egbert Lange im Schülerlabor hat er das nachgeholt. Die Arbeitsgemeinschaft, die sich jeden Donnerstag für anderthalb Stunden traf, bestand manchmal nur aus einem einzigen Mitglied: Michael Laue. „Wir hoffen, dass er ab und zu im Schülerlabor vorbeiguckt“, sagt Egbert Lange über seinen Ausnahmeschüler. Das nächste Mal vielleicht schon nach der Nobelpreisverleihung in Stockholm.