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Mehr Mitarbeiter als Bayer in Bitterfeld Mehr Mitarbeiter als Bayer in Bitterfeld: Dermapharm aus Brehna will weiter expandieren

Von Steffen Höhne 19.02.2018, 15:03
Das Werk in Brehna ist der Hauptproduktionsstandort des Arzneimittel-Herstellers Dermapharm.
Das Werk in Brehna ist der Hauptproduktionsstandort des Arzneimittel-Herstellers Dermapharm. Dermapharm

Brehna - Tack, tack, tack: Aus der verglasten Produktionshalle laufen ohne Unterlass weiße Tuben mit Anti-Neurodermitis-Creme auf einem Förderband in den Verpackungsraum. Ein Automat faltet dort Kartonschachteln samt Beipackzettel, in welche die Tuben verschwinden.

„Bei uns werden verschiedenste Arzneimittel aber auch in Form von Ampullen, Tabletten, Dragees, Kapseln, Lösungen, Tropfen und Sprays hergestellt“, listet Unternehmenschef Hans-Georg Feldmeier auf. „Eine solche Bandbreite hat kein zweites Pharmawerk in Europa.“ Das Unternehmen Dermapharm mit seinem großen Produktionsstandort in Sandersdorf-Brehna (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) kennen bisher allerdings nur Branchenexperten.

Das ändert sich nun: Als erstes deutsches Unternehmen in diesem Jahr ist der Mittelständler mit Sitz in Grünwald bei München am 9. Februar erfolgreich an die Börse gegangen. Firmengründer Wilhelm Beier hat ein kleineres Paket seiner Anteile verkauft, dem Unternehmen fließen zudem 115 Millionen Euro zu.

Dermapharm sucht sich Nischen in der Pharma-Branche

Beier ist laut Branchenmagazin „Apotheke adhoc“ Gast und Gastgeber bei vielen Münchner Promi-Partys. Doch erst durch den Börsengang wird ersichtlich, womit er es zum mehrfachen Millionär geschafft hat. Mit dem Gang an die Börse muss die bisher verschwiegene Firma ihre Wirtschaftszahlen haarklein offenlegen. Sie steht jetzt im Rampenlicht.

Wie der Name deutlich macht, liegen die Ursprünge in der Herstellung von Hautheilmitteln. Es gibt unter anderem Produkte gegen Allergien, Insektenstiche, Schuppen und Haarausfall. „Wir verkaufen nur Markenprodukte“, sagt Vorstandschef Feldmeier.

Das Unternehmen mit 1.300 Beschäftigten hat dazu in den vergangenen Jahren andere Firmen übernommen und patentfreie Arzneimittel entwickelt. Während viele Pharmafirmen auf absatzstarke Produkte für „Volkskrankheiten“ wie Herz-Kreislauf-Probleme setzen, suchte Dermapharm sich Nischen.

Dermapharm  hat in Brehna mehr Mitarbeiter als etwa Bayer Bitterfeld

Für die Produktion wurde 2003 auf der grünen Wiese ein neues Werk in Brehna errichtet. Die Tochter-Firma Mibe startete mit 30 Mitarbeitern, „heute sind es rund 500“, sagt Feldmeier. Damit beschäftigt Dermapharm in Brehna mehr Mitarbeiter als etwa Bayer Bitterfeld in der Aspirin-Produktion. Und die Expansion soll weiter gehen. Nach Worten Feldmeiers soll in diesem Jahr am Standort ein weiteres Lager errichtet werden. Elf Millionen Euro aus dem Börsengang fließen in den Bau.

Im ersten Geschoss des Werks wird produziert, im zweiten forschen und entwickeln 62 Mitarbeiter neue Arzneimittel. „Wir arbeiten nicht an neuen Wirkstoffen“, erläutert Feldmeier. Das könne der Mittelständler mit 444 Millionen Euro Umsatz nicht finanzieren.

Dermapharm sei darauf spezialisiert, bekannte Wirkstoffe weiter zu entwickeln. Für Brehna spricht laut Feldmeier, dass es in der Chemieregion dafür spezialisierte Fachkräfte gibt. Auch der Vorstandschef hat sein Büro im Werk und nicht am bayerischen Firmensitz. Dort befinden sich die Abteilungen Finanzen, Marketing und Vertrieb.

40 neue Produkte für die kommenden Jahre geplant geplant

In den kommenden Jahren will Dermapharm viele Neuheiten auf den Markt bringen. „Wir haben 40 Produkte in der Pipeline“, so der Vorstand. Von einem zugekauften Produkt, das in den kommenden Monaten europaweit verkauft werden soll, ist er besonders begeistert: „Bite Away“. Es fällt aus dem Sortiment etwas heraus.

„Es handelt sich um einen elektrischen Stichheiler“, sagt Feldmeier. Nach einem Mückenstich hält man das Gerät auf die Schwellung. Die Stichwunde wird kurz erhitzt, dadurch verschwindet die Schwellung und der Juckreiz hört auf. Ähnliche Produkte gibt es auch für Herpes.

Auch wenn das Produktspektrum von Dermapharm groß ist, so gibt es doch bestimmte Leitlinien. So werden vor allem Arzneimittel auf den Markt gebracht, die nicht von den Krankenkassen, sondern vom Kunden allein bezahlt werden. Was zunächst nicht schlüssig klingt, hat laut Firmenchef einen triftigen Grund: „Die Kassen verlangen von den Herstellern inzwischen hohe Rabatte, damit ihre verschreibungspflichtigen Produkte auch bezahlt werden.“

Dadurch entstehe ein ruinöser Wettbewerb, an dem sich Dermapharm nicht beteiligen will. Der Mittelständler schätzt die Unabhängigkeit und will auch nicht zu stark von den Krankenkassen abhängig sein. Bislang ging die Strategie auf. (mz)