Landgestüt Prussendorf Landgestüt Prussendorf: Mit neuer Offenheit soll wieder Fahrt aufgenommen werden

Prussendorf - Im Oktober hat Carsten Vogel aufgesattelt. Der Radegaster kaufte das Landgestüt Prussendorf und führte es mit seinem Gestüt zusammen. Es war die Wiedergeburt eines schon einmal erlebten Konstruktes. Pferdezucht und -haltung in Prussendorf und Radegast waren über Jahre miteinander verbunden. Jetzt sind sie es auch namentlich. Das Landgestüt ist Geschichte. Eine besondere Adresse für Pferde soll nun das Gestüt Radegast/Prussendorf sein.
„Wir müssen noch bekannter werden“, betont der Prussendorfer Betriebsleiter Enrico Kurze. Er kennt die Hofstelle im Zörbiger Ortsteil aus dem Effeff, spricht ohne Umschweife von Tradition und großen Namen wie dem einst im Gestüt eingestellten Vorzeigepferd Monte Bellini.
Doppelter Bundeschampionatssieger: Das war ein Ausrufezeichen und einer der Höhepunkte der jüngeren Prussendorfer Geschichte. Aber große Namen allein reichen in Prussendorf nicht mehr. Die Anlage soll rentabel arbeiten, das Pferd zum Wirtschaftsfaktor werden.
Parlamentarier hoben am Ende mehrheitlich die Hand für den Verkauf des Tafelsilbers
Das Land ist aus unterschiedlichen Gründen daran gescheitert. „Ich konnte dem Erhalt des Landgestüts am Ende nicht mehr zustimmen“, erklärte erst am vergangenen Donnerstag Sachsen-Anhalts-Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU). Ein Gestüt ohne Flächen, deren Bewirtschaftung zumindest einen Teil für den Unterhalt beitragen soll: Nicht nur für Brakebusch war das schwer vorstellbar. Die Parlamentarier hoben am Ende mehrheitlich die Hand für den Verkauf des Tafelsilbers.
Neu-Eigentümer Carsten Vogel und Mitarbeiter brauchen wirtschaftlichen Erfolg und setzten deshalb auf eine neue Form von Offenheit. Das Pferd soll möglichst breit an den Mann, die Frau, das Kind gebracht werden. „Wir haben hier Unterkünfte, Reitlehrer und die Reitschule. Alles muss für jeden offenstehen, der sich dafür interessiert“, sagt Betriebsleiter Kurze. Das schließe allerdings nicht aus, dass Prussendorf weiterhin Anlaufstelle für den Leistungssport und die dafür nötigen Qualifikationen sein soll. „Aber nicht nur. Wir müssen weiter denken.“
In Prussendorf ist die Aufzucht der Jungpferde konzentriert
Im Gestüt stehen neben den eigenen auch jede Menge Pensionspferde. In Prussendorf ist außerdem die Aufzucht der Jungpferde konzentriert. Vor Ort besteht zudem die Möglichkeit, Stuten einzustellen und unter tierärztlicher Betreuung besamen zu lassen. Die reine Zucht ist in Radegast konzentriert. Trakehner und das Deutsche Sportpferd sollen den Namen Radegast/Prussendorf über die Grenzen der Region hinaus bekanntmachen.
„Es ist ja nicht so, dass wir unbekannt sind. Aber wir müssen sehen, dass die breite Masse nicht nur bei Veranstaltungen und Turnieren da ist. Wir müssen erklären, dass wir für jedermann ansprechbar sein wollen.“ Enrico Kurze weiß, dass das neue Denken eine Herausforderung für das Personal in Prussendorf ist. „Wir sind hier neun Leute, die den Betrieb am Laufen halten müssen.“
Hinzu kommen die großen reitsportlichen Veranstaltungen. Die werden zwar von Sportverbänden und mit Unterstützung von spezialisierten Agenturen auf die Beine gestellt. „Die Anlagen und Reithallen müssen aber in Schuss sein.“ Das Youngster-Meeting und das Hallenturnier für Ponys sind gerade absolviert. Vom 8. bis 10. März steht in der großen Wussow-Halle das Hallenchampionat im Springen auf dem Programm.
Das größte Spektakel im Frühjahr soll die Hengstpräsentation im März sein
Das größte Spektakel des Frühjahrs soll jedoch die 1. Mitteldeutsche Hengstpräsentation sein. Am 23. März werden große Gestüte und Privatpersonen ihre besten Pferde zum Schaulaufen antreten lassen. „Publikum erwünscht. Es gibt freien Eintritt und freie Platzwahl.
Alle sollen ihre Freude an den Tieren haben“, erklärt Enrico Kurze. Weiteres Beispiel für die neue Offenheit: Die Hengstpräsentation wird nicht nur von klassischen Pferden aus bekannten Landgestütsbeständen leben. „Wir hatten Anfragen von Westernpferdzüchtern. Warum sollten wir denen die Türen verschließen?“ (mz)
Die Gestüte in Prussendorf und Radegast verbindet eine gemeinsame Geschichte. Beide Standorte waren zu DDR-Zeiten landwirtschaftliche Lehr- und Versuchsgüter der Uni Halle. In Radegast wurde 1951 mit der Zucht von Warmblutpferden Hannoverscher Abstammung begonnen. Die Pferdezucht ist auch nach Übernahme der Prussendorfer Anlagen durch den Unternehmer Carsten Vogel in Radegast konzentriert.
Dort wurde im Jahr 1993 das sachsen-anhaltische Landgestüt eingerichtet. 1997 zog es nach Prussendorf um. Nachdem das Land keine Zukunft des Gestüts unter sachsen-anhaltischen Fahnen mehr sah, wurde Prussendorf zum Verkauf ausgeschrieben. Der bereits seit 1999 in Radegast aktive Carsten Vogel erhielt den Zuschlag und übernahm die Hofstelle samt 20 Hektar Grund und Boden, 30 Hektar Grünland, 30 Pferde sowie neun Mitarbeiter und einen angehenden Pferdewirt.
