Kundgebung in der Grünen Lunge Kundgebung in der Grünen Lunge: 30.000 Menschen kamen am 17. Juni 1953 nach Bitterfeld

Bitterfeld - „Dieser Tag sollte auf keinen Fall politisch missbraucht werden, sondern ein Gedenktag an die Menschen sein, die sich am 17. Juni 1953 in Bitterfeld und der gesamten DDR gegen die Willkür des Staates aufgelehnt haben.“
Das sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Lars-Jörn Zimmer am Sonntag anlässlich einer Kranzniederlegung am Mahnmal für den Volksaustand vor genau 65 Jahren. Rund 30 Menschen, darunter auch OB Armin Schenk (CDU) und Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft, gedachten am Robert-Schuman-Platz der damaligen Akteure. Kränze waren zuvor auch vom Kreisverband der Grünen sowie vom AfD-Stadtverband niedergelegt worden.
Bitterfeld war vor 65 Jahren einer der zentralen Orte des Volksaufstands. „Mit welcher Intensität die Aufständischen eine ganze Stadt in der Hand hatten - das war sonst nur in Görlitz der Fall“, bilanziert der Historiker Sven Sachenbacher von der Gedenkstätte Marienborn. Dass Bitterfeld solch eine große Rolle gespielt hat, ist erst 2003 bei den Vorbereitungen einer Ausstellung zum 50. Jahrestags richtig deutlich geworden.
Rund 30.000 Aufständische strömten in die Stadt - mehr als Bitterfeld damals Einwohner hatte
An der Stelle des heutigen Denkmals fand damals die riesige Kundgebung statt. Da hieß der Ort noch Platz der Jugend. Rund 30.000 Teilnehmer strömten herbei - mehr als Bitterfeld damals Einwohner hatte. Der erste Redner auf der improvisierten Bühne war Paul Othma. Er sprach sich unter anderem für die Freilassung politischer Gefangener aus, die tatsächlich passierte.
Ein Lehrer der Comeniusschule, Wilhelm Fiebelkorn, formulierte in seiner Rede die Streikzeile. Dazu gehörten freie Wahlen, die Einheit Deutschlands und der Rücktritt der Regierung Ulbricht. Die Streikführung formulierte sogar ein Telegramm nach Berlin mit diesen Forderungen. Sachenbacher sagte: „Dieses Telegramm strotzte vor Selbstbewusstsein.“ Solch ein Schreiben sei aus keiner anderen Stadt bekannt.
Neben Othma wurde der 29-jährige Elektromechaniker Horst Sowoda an die Spitze der Aufständischen gewählt. Er koordinierte die Besetzung von SED-Parteizentrale, Polizeistation, Stasibehörde und Gefängnis und sicherte diese Gebäude gegen Plünderungen ab. Das schildert der Historiker Mathias Mesenhöller im Geschichtsmagazin „Geo-Epoche“.
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung forderte der Aufstand in Bitterfeld zwei Todesopfer
Neben Othma gehörte Sowoda für kurze Zeit der Revolutionsregierung an, die sich im Rathaus zusammenfand. Doch lange hielten die Streikenden nicht durch. Gegen 16.30 Uhr rollten sowjetische Panzer von Zörbig kommend auf Bitterfeld zu, der Aufstand endete.
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung forderte der Aufstand in Bitterfeld zwei Todesopfer: Hermann Stieler wurde nach seiner Verhaftung in seiner Zelle im Volkspolizeikreisamt tot aufgefunden. Paul Othma wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt und starb 1969 an deren Folgen. Sowoda flüchtete in die BRD. (mz)
