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Jungfrauen hüten Geheimnis um neue Feuerwehrfahne

Von ANDREAS HÜBNER 02.05.2010, 15:43

RETZAU/MZ. - Es hätte viele Gründe dafür geben können, aber es gab nur einen: Die Weihe der neuen Fahne der ortsansässigen Feuerwehr.

"Langsam beginne ich zu begreifen, welche Ehre es ist, an dieser Fahnenweihe teilzunehmen", verkündete Ortsbürgermeister Friedhard Kolch sichtlich bewegt zu Beginn seiner Rede. Welchen Stellenwert die Feuerwehr und die Fahnenweihe für die Einwohner der 400-Seelen-Gemeinde hat, erkennt jeder spätestens, wenn man die Liste der Spender genauer betrachtet. Ausnahmslos alle Familien aus dem Dorf hatten die Finanzierung der neuen Fahne aus dem eigenen Portemonnaie unterstützt. Auch deswegen sollte natürlich niemand im Ort diesen wichtigen Tag womöglich verschlafen, denn "wenn wir Retzauer feiern", erklärte Gruppenführer Roland Meißner, "feiern wir richtig!"

Und so wurden alle Dorfbewohner am Samstag früh um sechs Uhr an die Bedeutung des Tages erinnert, indem sie mit Posaunen und Fanfaren geweckt wurden. Es hatte funktioniert: Ganz Retzau war auf den Beinen. Niemand hatte die Fahne vorher sehen dürfen und so warteten alle gespannt am Gerätehaus, das kurzerhand mit einem enormen Festzelt, welches die gesamte Breite der Dorfstraße einnahm, verlängert wurde. Aber wirklich Autofahren wollte ja sowieso keiner.

Die Spannung gipfelte, als sich am frühen Nachmittag der Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Schköna zum Marsch formierte. Gefolgt von den Männern und Frauen der ansässigen, befreundeten und benachbarten Feuerwehren marschierten sie gemeinsam zum Haus des Wehrleiters. Natürlich ließen auch die Kameraden der eng befreundeten Dachauer Feuerwehr es sich nicht nehmen, an diesem bedeutungsvollen Tag dabei zu sein.

Direkt hinter den Mitgliedern der örtlichen Jugendfeuerwehr präsentierten sie sich stolz. Zuschauer an den Straßenseiten gab es allerdings kaum - die Retzauer marschierten nahezu alle mit. Am Ziel angekommen, ernteten die dort wartenden sechs "Jungfrauen" begeisterte Blicke und anerkennende Zurufe. Manfred Dreßler vom Retzauer Heimatverein übernahm das Kommando und ließ die immer noch geheimnisvoll verhüllte und liebevoll dekorierte Fahne von den Jungfrauen, die sich mit Haarkränzen und historischen Kostümen präsentierten, aufnehmen und in den Zug einreihen. Dies allerdings erwies sich als nicht ganz leichtes Unterfangen. Jeder wollte die Damen und die dekorierte Fahne bewundern und am besten fotografieren. "Da stehen einem die Tränen in den Augen", kommentierte Kolch. Anfangs sei die Beschaffung der Fahne lediglich eine finanzielle Herausforderung gewesen, mittlerweile aber eine Herzenssache. "Jeder aktive Kamerad erlebt so etwas höchstens einmal", brachte es der Bürgermeister gegenüber der MZ auf den Punkt.

Nachdem der Zug - die Jungfrauen hatten sich inklusive Fahne direkt hinter dem Spielmannszug eingereiht - wenig später wieder am Gerätehaus angekommen war, befand sich die Erwartungsstimmung auf dem Höhepunkt. Mit einer kurzen feierlichen Parade wurde das Symbol enthüllt, übergeben und präsentiert. Landrat und Schirmherr der Weihe, Uwe Schulze, eröffnete die anschließende Zeremonie. Kurz darauf war es dann soweit: Pfarrer Matthias Weise segnete die neue Fahne.

In den verschiedenen Reden und Grußworten - unter anderen auch aus dem Vatikan - kam dann immer wieder die Symbolträchtigkeit der Fahne zum Ausdruck. Sie stehe für Mut, Tapferkeit, Opferbereitschaft und Kameradschaft. Auf weinrotem Grund prangen die goldenen Lettern: Gott zur Ehr - dem Nächsten zur Wehr. "Wir nehmen es als viel zu selbstverständlich hin, dass Menschen sich in Gefahr begeben, um uns zu schützen", mahnte Pastorin Swantje Adam.

Anschließend wurde in Retzau noch lange und ausgiebig gefeiert. Ein Fackelumzug Samstagabend und ein gemeinsamer Frühschoppen im Festzelt am Sonntag mit den Dachauer Gästen - die bayrischen Kameraden eilten den Retzauern beim Hochwasser 2002 in beispielloser Manier zur Hilfe - zählten zu den Höhepunkten. Immer wieder kam dabei das Thema auf die Fahne, die Weihe und worum oder um wen es wirklich ging. Wehrleiter Thomas Moll hatte das schon während der Zeremonie unmissverständlich klar gemacht, als er sagte: "Ich bin stolz, Euer Wehrleiter zu sein!"