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Japan zwischen zwei Buchdeckeln

Von DETMAR OPPENKOWSKI 27.04.2010, 15:21

BREHNA/MZ. - Menschen in aufwendig gestalteten Kostümen, Karaoke- und Computerspieleräume oder die Manga-Biobliothek - wer am Wochenende das Quality Hotel Country Park in Brehna besuchte, trat durch das Tor in eine andere Welt, denn ein "Anime Marathon" fand hier statt. Dabei drehte sich eben alles um Animes, also in Japan produzierte Animationsfilme, und um Mangas, also japanische Comics.

"Der Animation Marathon ist die jährliche Convention, die Zusammenkunft, des Vereins Anime no Tomodachi", sagt Jan Kandziora vom Verein. "Wir haben uns 1997 mit dem Ziel gegründet, die japanische Populärkultur in Deutschland bekannter zu machen." Neben der Internetpräsens und der Vereinszeitschrift gibt es die jährlich an einem anderen Ort stattfindende Zusammenkunft.

Damit bei der dreitägigen und rund um die Uhr laufenden Veranstaltung alles klappt, sind bis zu zehn Monate Vorbereitung und viele Helfer erforderlich. Sie nennen sich selbst "Ameisen", denn die Vereinsabkürzung lautet "ANT" (engl.: Ameise), und tragen rote T-Shirts. So wie Jan Kandziora. Zusammen mit dem Vereinspräsidenten Bernhard Hübscher führt er durch das Hotel. "Wir haben etwa 260 Besucher", sagt Kandziora, "sie kommen aus ganz Deutschland, vorwiegend aber aus dem norddeutschen Raum." An mehr als 20 Stationen werden um die 80 Angebote gemacht. Man kann sich an japanischen Konsolen-Videospielen versuchen oder in der etwa 2 800 Bände umfassenden Bibliothek stöbern. Doch die größte Aufmerksamkeit gilt dem so genannten "Cosplay". Dabei handelt es sich um einen japanischen Kleidungstrend, sprich: die Besucher ziehen selbst gefertigte Kostüme ihrer Anime- und Mangahelden an. So auch Jenni Kandziora. Mit einem rot-weißen Kleid schlüpft sie in der Rolle "Sumomo" aus der Serie "Chobits". "Wir präsentieren die Kostüme beim ,Cosplay-Wettbewerb'", sagt sie, "dabei werden die Kostüme nach Aufwand und handwerklicher Qualität bewertet. Beim Auftritt spielt aber auch die Treue zum dargestellten Charakter und die Flüssigkeit der Darbietung ein wichtige Rolle." Dass es für die Vereinsmitglieder und Teilnehmer aber nicht nur um ein Rollenspiel geht, macht Bernhard Hübscher deutlich. "Wir haben viele junge Mitglieder, aber im Schnitt bewegen sie sich zwischen 25 und 35 Jahre. Der älteste Teilnehmer ist 60 Jahre alt", sagt er. Das erkläre sich aus der Geschichte, denn in den 90er Jahren hätte vor allem Akademiker die Entwicklung in Japan beobachtet und über viele Wege versucht, an die Mangas zu kommen. "Es war anfänglich schwierig, sie zu konsumieren", erinnert er sich. Den Reiz mache vor allem aus, dass in den Geschichten das ganze Spektrum des japanischen Lebens bildhaft abgedruckt sei. "In den Mangas werden noch die großen Geschichten erzählt", sagt er. "In Japan ist das eine ganz eigene Erzählform, denn es werden ganze Romane zeichnerisch umgesetzt."

In der Bibliothek veranschaulicht er das und holt bekannte Mangas von Gosho Aoyama, Hayao Miyazaki oder Rumiko Takahashi aus dem Regal. "Über die Bücher ist einfach mit der japanischen Kultur in Kontakt zu kommen", sagt Jan Kandziora. "Mich fasziniert, dass Japan und Deutschland nach dem Krieg eine ähnliche Entwicklung hatten, dass aber die Angewohnheiten in beiden Kulturen komplett anders sind."