Interview zur Batteriefabrik Interview zur Batteriefabrik bei Bitterfeld-Wolfen: Wie Farasis mit dem neuen Werk punkten will

Bitterfeld-Wolfen - Die Diskussion um die Zukunft der Mobilität ist in vollem Gang. Neben dem Solar Valley will das US-chinesische Unternehmen Farasis seine erste Batteriefabrik außerhalb Chinas bauen. Auch die Deutschlandzentrale wechselt nach Bitterfeld-Wolfen.
Die Firma will hier etwa 600 Millionen Euro investieren und ab 2022 produzieren. Tilo Krippendorf hat mit Europa-Chef Sebastian Wolf und Maik Cordes, dem Leiter für Geschäftsentwicklung und Vertrieb gesprochen.
Herr Wolf, sie waren kürzlich bei der 650-Jahr-Feier in Thalheim und haben dort auch eine Ansprache gehalten. Warum ist ihnen das ein Bedürfnis?
Sebastian Wolf: Für uns ist die Verbindung zur Region sehr wichtig. Dass die Wahl auf Bitterfeld-Wolfen fiel, war nicht nur eine Entscheidung für irgendeinen Wirtschaftsstandort, sondern eine Entscheidung für eine Region. Alles muss zusammenpassen - Das sind zum einen wirtschaftliche Faktoren wie beispielsweise logistische Effizienz oder ökologischer Fußabdruck sowie die potenziellen zukünftigen Mitarbeiter.
Deshalb ist es für uns äußerst wichtig, frühzeitig mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu kommen. Sie sollen wissen, dass Farasis nicht nur ein Investor ist, sondern ein Teil der Region, auf den man stolz sein kann.
Vor der Entscheidung für Bitterfeld-Wolfen kamen für sie dutzende Standorte in Europa in Frage. Was war am Ende der ausschlaggebende Grund?
Sebastian Wolf: Wir haben insgesamt mehr als 100 Faktoren betrachtet, die gewichtet wurden. Es gab keinen einzelnen Grund, sondern es war das Gesamtpaket des Standortes, das den Ausschlag gegeben hat. Dazu gehört natürlich die Infrastruktur oder die Lage zu Arbeitsmärkten mit qualifizierten Arbeitskräften.
Es zählen aber auch weiche Faktoren, beispielsweise die Akzeptanz neuer Technologien. Auch die Verfügbarkeit verschiedener Technologien spielt eine Rolle, da meine ich im Speziellen den Chemiepark Bitterfeld-Wolfen, der Möglichkeiten für Kooperationen bietet.
Welche Leute mit welchen Qualifikationen benötigt man in einer Batteriezellen-Fabrik?
In der ersten Ausbaustufe der Fabrik rechnen sie mit 600 Mitarbeitern. Welche Leute mit welchen Qualifikationen benötigt man in einer Batteriezellen-Fabrik?
Sebastian Wolf: Es geht ja nicht nur um Batteriezellen, sondern auch um Batteriemodule und Batteriepacks, die wir herstellen werden. Zudem wird unser Europa-Hauptsitz nach Bitterfeld-Wolfen umziehen. Das heißt, wir reden über Ingenieure, Chemiker und Mechatroniker. Hinzu kommen Mitarbeiter für Qualitätssicherung und auch die allgemeine Verwaltung.
Der Markt für Batteriezellen wächst gerade enorm und die Konkurrenz schläft nicht. Was ist der Vorteil von Farasis-Batterien gegenüber jenen der Mitbewerber?
Maik Cordes: Etwas, das Farasis ausmacht, ist die Fokussierung auf die Forschung. Wir haben in den vergangenen Jahren Zellen entwickelt, die über eine besonders hohe Energiedichte verfügen. Im Markt für Elektrofahrzeuge bedeutet dies eine besonders hohe Reichweite. Des Weiteren verfügen unsere Zellen über eine besonders schnelle Ladefähigkeit und eine hohe Lebensdauer. Bei Farasis wurde diese Zelltechnologie sehr nach vorn getrieben. Darüber hinaus haben wir von vornherein auf sogenannte Pouch-Zellen (besondere Bauform, d. Red.) gesetzt. Damit sind wir sehr flexibel, was die Anwendungen angeht.
Wir können somit relativ leicht unsere Batterien an Kundenanforderungen anpassen ohne große Aufwendungen in der Entwicklung. Wenn man diese Eigenschaften im Zusammenhang sieht, haben wir ein sehr gutes Produkt am Markt.
Für welche Fahrzeuge sollen die Batterien verwendet werden?
Für welche Fahrzeuge sollen die Batterien verwendet werden?
Sebastian Wolf: Unser Fokus liegt auf reinen Elektrofahrzeugen, wobei wir auch in Hybridantrieben tätig sind. Eine Kooperation haben wir beispielsweise mit der Firma Daimler.
Manche Menschen machen sich Sorgen um die Sicherheit, insbesondere beim Transport der Batteriezellen. Wie sicher sind die Zellen?
Sebastian Wolf: Batteriezellen unterliegen sehr strengen Sicherheitsauflagen. Man muss anspruchsvolle Zertifizierungen erreichen und dafür eine Vielzahl an Tests absolvieren. Wenn eine Batterie geprüft wurde, kann beim Transport nichts passieren. Wenn die Batterien das Werk verlassen, sind sie auch nur zu etwa einem Drittel geladen - der Energiegehalt ist somit relativ gering.
Mit welchen Produktionsmengen rechnen sie?
Maik Cordes: Wir rechnen in Gigawattstunden. Ein Elektroauto mit großer Reichweite hat etwa 90 bis 100 Kilowattstunden. Pro Jahr könnten wir also rund 100.000 Elektrofahrzeuge ausrüsten. Bei 250 Arbeitstagen würden wir pro Tag Batterien für etwa 400 Fahrzeuge herstellen. Jedes Fahrzeug wird mit rund 400 Kilogramm Batterien ausgestattet. Pro Tag sind das also rund 160 Tonnen.
Wohin werden die Batterien geliefert?
Sebastian Wolf: Bei uns gilt die Strategie „local for local“, das heißt, die Module aus Bitterfeld werden an Kundenstandorte in Europa verschickt.
Wäre ein Gleisanschluss für ihr Werk wichtig?
Sebastian Wolf: Der Bahnverkehr ist ein Teil unserer Zukunftsstrategie. Wir wollen ja CO2-neutral Batterien produzieren, insbesondere dafür bräuchten wir einen Bahnanschluss in der Nähe. Aber wir bräuchten natürlich nur wenige Züge in der Woche. Mit einem Bahnanschluss könnten wir den CO2-Fußabdruck der Herstellungskette unserer Batterien deutlich reduzieren.
„Wir glauben an die Zukunft der Elektromobilität“
Wie wahrscheinlich ist es, dass das Werk noch ausgebaut wird?
Maik Cordes: Das hängt stark von der Auftragslage ab. Wir sind auf größere Kapazitäten vorbereitet. Bis zu 40 Gigawattstunden wären am Standort nach derzeitiger Technik möglich.
Angenommen, Farasis bekommt entsprechende Aufträge. Wie schnell könnte im Idealfall ein Ausbau geschehen?
Sebastian Wolf: Das hängt von vielen Faktoren ab. Wir glauben an die Zukunft der Elektromobilität. Es hängt von unseren Kunden ab und letztlich von dem Verhalten der Verbraucher, wie schnell die Produktion von Batterien für Elektromobilität in Deutschland ausgebaut wird.
Es gibt Pläne, in Bitterfeld-Wolfen auch einen Bereich für Forschung und Entwicklung aufzubauen. Was bedeutet das konkret?
Sebastian Wolf: Derzeit befinden wir uns in der Diskussion, wo wir in diesem Bereich in Bitterfeld-Wolfen anfangen. Der Fokus unserer Aktivitäten am Standort Stuttgart liegt momentan auf der Applikationsentwicklung, wobei wir neue Technologien auf Kundenanforderungen anpassen.
Mit der Solarindustrie haben die Menschen in der Region zwiespältige Erfahrungen gemacht
Bei der Elektromobilität gibt es mitunter Vorbehalte, was die Nachhaltigkeit angeht. Was entgegnen sie Batterie-Kritikern?
Sebastian Wolf: Unser Standort in Bitterfeld wird CO2 -neutrale Batterien fertigen, so dass der viel diskutierte CO2 -Rucksack von Elektrofahrzeugen mit unseren Batterien bereits deutlich kleiner sein wird. Darüber hinaus legt Farasis großen Wert auf das Thema Recycling. Es gibt bereits sehr detaillierte Pläne zum Thema Aufbereitung und Recycling-Partnerschaften in der Region.
Mit der Solarindustrie haben die Menschen in der Region zwiespältige Erfahrungen gemacht. Jetzt gibt es mitunter auch Vorbehalte gegen die Batterie-Fertigung. Können sie diese Skepsis nachvollziehen?
Sebastian Wolf: Natürlich können wir die Bedenken der Menschen vor Ort nachvollziehen. Ich möchte an dieser Stelle noch mal betonen, dass wir vollständig von der Zukunft unserer Technologie am Standort Bitterfeld überzeugt sind und auch deshalb mehrere hundert Millionen Euro in den Standort investieren.
Batterietechnik wird in vielen Bereichen gebraucht werden, nicht nur in der Elektromobilität. Ein Vergleich mit der Solarindustrie hinkt zudem. Denn im Solarbereich ist viel Know-how aus Deutschland nach Asien gegangen. Bei der Batterietechnik ist es umgekehrt. Viel Forschungsarbeit wurde in China geleistet und wird nun global ausgerollt. (mz)