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In den Baumwipfeln mit Seil und ohne doppelten Boden

Von BÄRBEL HELBIG 02.04.2009, 18:51

ALTJESSNITZ/MZ. - Die Baumkletterer sind weder Bergsteiger noch Zapfenpflücker. Es sind Europaen Tree Worker - zwei in der Seilklettertechnik ausgebildete Spezialisten vom Gala-Service Dibbert aus dem mecklenburgischen Bützow. "Es ist einer der gefährlichsten Berufe", sagt Firmenchef Hagen Dibbert. Deshalb sei es auch kein Zufall, sondern Vorschrift, dass wie in Altjeßnitz immer zwei Kletterer im Einsatz sind. "Damit sie sich gegenseitig helfen können", erklärt er.

Auch bei Schnee, Wind oder Regen darf man aus Sicherheitsgründen nicht hoch. Einen Notfall oder gar einen Unfall habe es in seiner Firma aber noch nie gegeben, sagt Hagen Dibbert, gelernter Agraringenieur und Landschaftsplaner, der seine Firma vor 15 Jahren gegründet hat. Für ihn selbst sei die Kletterei nichts, gibt er zu und nennt seine Erfolgsdevise: "Gutes Werkzeug, gute Leute".

Erik Timme und Benny Wendt haben bei ihrem Einsatz im Gutspark acht Tage zu tun, um 80 Bäume am Spielplatz, im Eingangsbereich und an den Wegen in Ordnung zu bringen. Diese jährliche "Verkehrssicherheitskontrolle" wird vom Gesetzgeber überall dort empfohlen, wo Parkbesucher durch herabfallende Ästen in Gefahr kommen könnten.

Die Seilklettertechnik gilt als "baum- und umweltschonende Baumpflege" und wird vor allem dort eingesetzt, wo keine Arbeitsbühnen oder andere Hubgeräte aufgestellt werden können, zum Beispiel an Ufern, auf engen Hinterhöfen oder auf Rasenflächen und Wegen in Park- und anderen Anlagen. Dann genügt ein Doppelseil, das mit einem Wurfsäckchen oder einem Schussgerät in eine stabile Astgabel befördert wird.

Von dieser nicht alltäglichen Arbeit ist der gelernte Tischler Erik Timme fasziniert. "Statt in einer staubigen Werkstatt im Freien zu arbeiten und dabei Bewegung zu haben, das gefällt mir", sagt er 31-Jährige. Einen Baum zu pflegen und zu erhalten, darin sieht er zudem eine ganz besondere Aufgabe. Mit dem Bergsteigen habe das allerdings nichts zu tun, wie von Zuschauern manchmal vermutet wird. "Alpines Klettern und die Doppelseiltechnik sind zwei völlig unterschiedliche Dinge", stellt Erik Timme fest.

Um zu sehen, wo die Seilkletterer am Werk waren, muss man sich die Bäume sehr genau anschauen. Frische Schnitte sind zum Beispiel weit oben am Stamm der beiden Blutbuchen am Eingang zum Gutspark zu entdecken. "Gute Baumpflege ist, wenn man hinterher nicht sieht, dass etwas gemacht ist", so Dibbert. Gekappte Kronen, wie er sie auf der Fahrt durch Jeßnitz gesehen hat, sind für ihn keine Baumpflege, sondern "Kronenmassakrierung". Ein Baum hat für ihn auch ästhetische Wirkung. Und er betrachtet ihn als Lebewesen. Deshalb lehnt er Kronenkappungen ab, selbst wenn ihm dadurch ein lukrativer Auftrag entgehen sollte.

Im Altjeßnitzer Gutspark sind die Männer aus Mecklenburg, die auch in Berlin-Mitte gut zu tun haben, nicht das erste Mal. 2004 und 2006 haben sie hier schon gearbeitet. Und auch im vergangenen Winter gab es zwei Pflegegänge. "Hier haben wir sogar schon mal einen Schneemann gebaut", erinnert sich Dibbert. Die Altjeßnitzer Anlage mag er sehr: "Wir sind gern hier, der Park ist wunderschön und in einem guten Zustand. Das ist nicht überall so."