Hospizarbeit und Schmerztherapie Hospizarbeit und Schmerztherapie: Keine paradiesischen Zustände
Wittenberg/MZ. - Das evangelische Hospiz in Stendal verfügt über vier Einzel- und ein Doppelzimmer mit Telefon und TV. Die Atmosphäre ist wohnlich. Wenn Angehörige im Nachbarzimmer Einzug halten, dann wird''s schon beinah familiär; erst recht, wenn sich alle in der Gemeinschaftsküche treffen: die Sterbenden und die Gesunden. Pflege gibt''s rund um die Uhr. Und das Beste: Ein Schmerztherapeut steht den Hausärzten zur Seite.
So schön wie im Norden Sachsen-Anhalts ist es im restlichen Teil dieses Bundeslandes keineswegs, obschon der Bedarf an Hospizdiensten groß ist. Eine Tagung zum Thema mit dem Titel "Nicht jeder stirbt für sich allein" fand am Wochenende in der Evangelischen Akademie in Wittenberg statt. Bei allen Debatten und Referaten wurde eins besonders deutlich: der Mangel an Hospizdiensten. Dazu geselle sich eine völlig unzureichende Schmerzversorgung in der gesamten Republik. Schmerzambulanzen wie die des Oberarztes Wolf Diemer an der Greifswalder Ernst-Moritz-Arndt-Universität sind noch immer die Ausnahme.
Tagungsleiter Jörg Göpfert sprach von einem "richtungsweisenden Modellprojekt", bei dem so genannte Palliativ-Care-Teams, bestehend aus einem Arzt und einer Schwester, Patienten sowohl stationär, als auch ambulant betreuen. Dabei fahren sie manchmal weit übers platte Land, um die Leute zu erreichen. Dies mag anstrengend sein, habe sich aber bewährt, wie Diemer in einer Podiumsdiskussion am Sonntag betonte. Vier Jahre, so der Arzt weiter, laufe das Projekt. Gefördert wurde es mit 1,5 Millionen Mark. Nun beteiligen sich die Krankenkassen an den Kosten.
Ob dies in Sachsen-Anhalt denkbar sei, wollte der vorzüglich moderierende Göpfert wissen. Es folgten Allgemeinplätze wie "Wir sind im Gespräch" von der Vertreterin aus dem Magdeburger Sozialministerium. Eine AOK-Gesandte servierte Göpfert und die etwa 100 Teilnehmer mit dem Satz "Dafür bin ich nicht zuständig" ab. Wohl nicht zu Unrecht warfen darum einige Anwesende den Verantwortlichen Verschiebetaktik vor. Unterdessen, so eine Krankenschwester, "sterben die Betroffenen dahin".
Kritik musste sich auch Burkhard John gefallen lassen. Der Hausarzt und Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt beklagte, dass gerade Hausärzte mit vielen Schmerzpatienten zu tun hätten, während ihnen nur wenige Schmerzspezialisten zur Verfügung stünden. Diemer betonte, dass es große Unterschiede zwischen Tumor- und Rückenschmerzen gibt. Zudem seien gerade Allgemeinmediziner in puncto Schmerztherapie nur ungenügend ausgebildet: "Wenn sie sich für Schmerzen interessieren, dann machen sie einen Akupunktur-Kurs, doch das hilft einem Tumorpatienten nicht."
Einig waren sich die Tagungsgäste, dass zur guten Hospizarbeit auch die Schmerztherapie gehört. Vorbildlich ist die Lage in diesem Punkt in Berlin. Neben 15 ambulanten Hospizdiensten, zwei stationären und zweien, die einer stationären Einrichtung angegliedert sind, glänzt die Bundeshauptstadt allein mit vier Palliativstationen.
In den Augen der Wittenberger dürfte es sich also um paradiesische Zustände an der Spree handeln. Immerhin: Seit fünf Monaten gibt es auch im Städtchen an der Elbe eine Hospizinitiative am Paul-Gerhardt-Stift. "Demnächst werden 17 ehrenamtliche Mitarbeiter ihre Ausbildung beginnen", konnte Dorothea Schnee vom Hospizbüro mitteilen. Eines Tages werden sie Sterbenden und Angehörigen zur Seite stehen. Vorerst auch ohne feste stationäre Zimmer mit TV.