Hochwasserschutz an der Mulde Hochwasserschutz an der Mulde: Die Fünf-Kilometer-Baustelle

Greppin/Jessnitz - Der langersehnte Schutz vor dem Chemiepark nimmt Gestalt an: Der erste Deichkilometer steht bereits. Bauarbeiter pflastern dort derzeit den Verteidigungsweg, auf dem Hochwasserschutzwall wächst erstes Gras. In zwei Wochen könnte die Eilenburger Baufirma fertig sein und den ersten von sechs Bauabschnitten des 15 Millionen-Projekts abschließen. In der nächsten Phase soll ab 20. Oktober der Mulde-Deich direkt vor den Bayer-Werken gebaut werden.
„Wir sind froh, dass das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist und wir loslegen konnten “, sagt Matthias Weilbach, Projektverantwortlicher beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Scheibchenweise setzen die Deichbauer nun den Hochwasserschutz an der Mulde um. Die fünf noch offenen Bauphasen sollen bis Ende 2017 abgeschlossen sein. Nach dem Baubeginn will am kommenden Freitag auch Sachsen-Anhalts Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) den Deich besuchen.
Bereits jetzt gibt es aber erste Verzögerungen. Ursprünglich sollten die Mitte Oktober beginnenden Erdarbeiten an der Salegaster Chaussee bereits im Sommer starten. Doch die unterirdische Wasserstoffleitung vom Bitterfeld-Wolfener Chemiepark nach Rodleben zur Deutsche Hydrierwerke GmbH machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung.
„Das vorgesehene Verlegen der Leitung hat gedauert, Pläne mussten angepasst werden“, erklärt Weilbach. Dabei hätten auch neue EU-Standards berücksichtigt werden müssen, nannte er einen Grund für die Verzögerungen.
Aber die Planer sind zuversichtlich, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Bis ins Jahr 2016 soll der Deich bis zur Flutbrücke in Jeßnitz stehen, bis 2017 der Anschluss an den Bahndamm der Strecke Wolfen-Dessau gelingen.
Zwei Mal überschwemmte eine Jahrhundertflut binnen elf Jahren den Kreis Bitterfeld. 2002 drohte sogar eine Umweltkatastrophe im Chemiepark. Nun entsteht vor dessen Toren der Deich, der seit knapp zehn Jahren geplant wird. Eine Chronik.
Jeßnitz-West soll einen Hochwasserschutz bekommen. Das bestätigt Hans-Werner Uhlmann, LHW-Geschäftsbereichsleiter, bei einer Einwohnerversammlung in der Muldestadt.
Frank Beisitzer, Flussbereichsleiter beim LHW: „Das Planfeststellungsverfahren wird im ersten Halbjahr 2007 eingeleitet.“ Dieses sei notwendig, da ein neuer Deich entstehe. Baubeginn könne 2008 sein. Der Neubau des Deiches Jeßnitz-West/Greppin hat im Hochwasserschutzkonzept hohe Priorität, sagt Hans-Werner Uhlmann. Die Rufe aus der Bevölkerung nach dem neuen Hochwasserschutz werden zwischen Greppin und Jeßnitz-West lauter, während die Kommunen Jeßnitz und Raguhn Ringdeiche bekommen.
LHW-Chef Burkhard Henning sagt bei einem Vor-Ort-Termin an der Jeßnitzer Mulde, dass seit 2005 umfangreiche Planungen für den Deich vor den Bayer-Werken liefen. Ziel sei es, dass noch in diesem Jahr das dafür erforderliche Planfeststellungsverfahren eröffnet werde.
LHW-Sachbereichsleiter Peter Noack erklärt in Bitterfeld-Wolfen, dass der Deich im Jahr 2012 fertig sein könnte. Die Planungen für den Deichbau seien allerdings in Verzug geraten. Das habe mehrere Gründe. Zum einen habe man die Deich-Ausbauhöhe in den Planungen mehrfach verändern müssen. Zum anderen sei ein Schöpfwerk notwendig geworden.
Das LHW reicht die Unterlagen ein. Das Planfeststellungsverfahren beginnt.
LHW-Chef Burkhard Henning zum Deich: „Unsere Zielstellung ist es, 2012 zu beginnen. Im Fall Jeßnitz-West haben wir über die letzten fünf, sechs Jahre schon sehr viel Kraft investiert. Für uns steht das Projekt ganz oben.“
Landrat Uwe Schulze (CDU) macht Druck. In einem Schreiben fordert er Umweltminister Herrmann Onko Aeikens (CDU) auf, „sich auch weiterhin für eine zeitnahe Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses sowie für die Bereitstellung der notwendigen Finanzen zur Umsetzung der Baumaßnahme einzusetzen.“
Das LHW spricht zur Einweihung eines Deichabschnitts bei Priorau davon, dass zwischen Jeßnitz-West und Greppin „noch in diesem Jahr begonnen werden soll“.
Die nächste schwere Flut nach 2002 trifft Bitterfeld. Teile von Jeßnitz-West sind überflutet, vor dem Chemiepark werden wieder Sandsackwälle errichtet.
Das Planfeststellungsverfahren ist abgeschlossen. Das LHW hat den Baubeginn auf 2014 datiert. Laut der Hochwasserbehörde dauert die Umsetzung mindestens vier Jahre. Damit könnte der Deich 2018 fertig sein – 16 Jahre nach der Jahrhundertflut 2002.
Ein halbes Jahr nach der Flut räumt LHW-Chef Burkhard Henning bei einer Pressekonferenz selbstkritisch zum Deich zwischen Jeßnitz-West und Greppin ein: „Das hat viel zu lange gedauert und hätte längst fertig sein müssen.“
Spatenstich
Das zur Finanzierung nötige Geld kommt aus dem 25,1 Milliarden schweren Fluthilfe-Fonds des Bundes zur Beseitigung von Hochwasserschäden. Hätte es diesen Fonds nicht gegeben, dann wäre nach MZ-Informationen für den LHW der umständlichere Weg über andere Fördermittel-Töpfe notwendig geworden. Geld hätte aber in jedem Fall zur Verfügung gestanden, heißt es.
Ein Kernstück des insgesamt 5,1 Kilometer langen Mulde-Deichs ist das Schöpfwerk in der Nähe des Jeßnitzer Kreisels. An dieser Stelle fließen auch künftig Fuhne und Schachtgraben in Richtung Mulde. Im Falle eines Hochwassers wird ihr natürlicher Abfluss dann aber unterbrochen und drei Pumpen können bis zu 3,8 Kubikmeter Wasser pro Sekunde auf die andere Seite des abgeriegelten Deiches befördern. „Ansonsten würden hier Wasser angestaut und damit Flächen bedroht, die wir mit dem Deich eigentlich schützen wollen. Also zum Beispiel Jeßnitz-West“, erklärt der LHW-Projektverantwortliche Weilbach. Das Schöpfwerk soll im nächsten Jahr begonnen und 2016 fertiggestellt werden.
Der LHW lässt den Deich Jeßnitz-West/Greppin von Süd nach Nord in Mulde-Fließrichtung bauen. „Denn in umgekehrter Richtung entstünde eine Wanne, die bei einem Hochwasser volllaufen würde.“
Während der Planungen gab es auch Überlegungen, die Deichtrasse hinter der Salegaster Chaussee zu errichten. Aber man habe sich gegen diese Variante entschieden, „um unter anderem bei einer Flut die weitere Befahrbarkeit der Straße zu garantieren“, so Weilbach.
Mit dem Deichneubau greift der LHW in die Natur ein. Deshalb muss er Ausgleichsmaßnahmen umsetzen. Nach Informationen von Weilbach sollen deshalb mehrere Hektar Wald im Salegaster Forst gepflanzt werden. Zudem wolle das LHW eine mehrere Hektar große Wiese bei Jeßnitz pflegen. (mz)
