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Hochwasser Hochwasser: Im Wohnwagen wird es allmählich kalt

Von Bärbel Helbig 19.09.2002, 17:38

Jeßnitz/MZ. - Ariane Franz sieht in all ihrem Unglück auch Positives: "Ein Glück, dass wir mit dem Wohnwagen im Urlaub waren. Ins Hotel hätten wir sicher nur zwei Koffer mitgenommen." So waren die Jeßnitzer Ariane Franz und Wolfgang Hanke mit ihrem fünfjährigen Benjamin trotz der überfluteten Wohnung vergleichsweise gut ausgestattet - und hatten ein eigenes Zimmer zum Übernachten.

Die Hiobsbotschaften von zu Hause hatten sie im Ostseeurlaub per Handy erreicht. Als von Evakuierung die Rede war, fuhren sie auf der Stelle los, denn die beiden Großen Katrin (17) und Christian (18) waren allein zu Hause. In jener Nacht konnten sie nur noch ein paar Papiere und Kleinigkeiten mitnehmen, dann war auch schon das Wasser da. Neue Couchgarnitur, Fußbodenheizung, Kinderzimmer und die tipptopp ausgebaute Werkstatt - alles war hin. Sie flüchteten mit dem Wohnwagen zunächst auf einen Parkplatz in Wolfen-Nord, dann konnten sie ihn an der Krondorfer Turnhalle abstellen und den "Komfort" des Evakuierungszentrums - Duschen, Toiletten, Versorgung - nutzen. Als in Jeßnitz keine Sandsäcke mehr zu schleppen waren, ging Wolfgang Hanke wieder zum Schichtdienst in die Großbäckerei in Brehna.

Ariane Franz, die von ihrer Arbeit bei der Regio-Bahn freigestellt war, und Christian machten sich als Helfer in der Turnhalle nützlich, gaben am Tresen Essen und Getränke aus, sorgten nachts für Ruhe. 386 Leute waren dort in Spitzenzeiten zu versorgen. Katrin, die eigentlich längst bei ihrem Freund in Kaiserslautern sein wollte, kümmerte sich tagsüber um das Haus in Jeßnitz. Und wieder sieht Ariane Franz in all dem Unglück Gutes: "Ein Glück, dass Katrin noch keine Lehrstelle als Hotelfachfrau gefunden hat, sonst wäre sie längst weg."

Inzwischen steht der Wohnwagen hinter dem Haus am Anger. 1999 hatten sie es gekauft und entsprechend ihrer Finanzlage Stück für Stück hergerichtet. Wann die Räume trocken und bewohnbar sein werden, ist ungewiss. Am Wochenende soll wenigstens ein Zimmer in Ordnung kommen, denn im Wohnwagen wird es allmählich kalt.

Auch wenn alles noch ziemlich trostlos aussieht - Ariane Franz ist gerührt, dass nicht nur Verwandte, sondern auch "wildfremde Menschen" zu helfen versuchen. Im Blumenhaus Malinowski in Herford (Nordrhein-Westfalen) wurde zum Beispiel für die Jeßnitzer Familie eine Spendendose aufgestellt. Die Inhaber, die Jeßnitz kannten, wollten Betroffenen direkt helfen. Inge Tittel aus Wolfen vermittelte, und den Tipp gab ein Nachbar, der Evakuierte kostenlos zum Arzt oder ins Tierheim gefahren hatte.