Hochwasser 2002 Hochwasser 2002: Schwimmende Gärten
Bitterfeld/MZ. - "Die Welt hat verrückt gespielt", so kam es Paul und Christiane Russ vor. Papageien kreisten über seinem Kopf. Zwischen seinen Füßen schwammen Kois und Goldfische zum greifen nah und doch ließ er sie ziehen. Es gab Wichtigeres. Viel Wichtigeres. Es galt Hab und Gut zu retten, mitanzupacken. In der Bitterfelder Gartensparte "Erholung" war im August 2002 keine Erholung möglich. Die Jahrhundertflut nahm sich das Land der 55 Parzellen einfach mal so und hinterließ Verzweiflung, Wut im Bauch, aber auch Mut und den Willen, wieder neu anzufangen.
Im Altkreis Bitterfeld traf die Flut mehr als 1 500 Kleingärten von 18 Gartenvereinen, informiert der Regionalverband der Gartenfreunde Bitterfeld-Wolfen und Umgebung. Sachschaden: etwa 550 000 Euro. "Es war schon eine verrückte Zeit - damals", sagt Torsten Spichale. Auf einer Luftmatratze sah er in seinem Garten nach dem rechten. "Heute weiß ich, das war lebensgefährlich."
Wenn Christel Friebel und Wolfgang Nindel heute durch ihre Gartenanlage spazieren, dann geben sie gern zu: "Die Gärten sind schöner als je zuvor."
Auch in der Anlage "Vergissmeinnicht" ist innerhalb von zehn Jahren viel passiert. Für Dietmar Mengel, Vorsitzender des Kleingartenvereins, stand Aufgeben damals nie zur Debatte. Es habe immer einen festen Willen gegeben, weiter zumachen. Am 17. August 2002 riss die Flut alles mit sich. Bis 1,30 Meter hoch stand das Muldehochwasser in der Anlage. Die Schäden: etwa 250 000 Euro. Besonders das Vereinshaus war betroffen. Die sechs Hektar große Anlage verteilt sich auf 141 Parzellen. Nur drei Kleingärtner haben nach dem Hochwasser ihre Parzellen aufgegeben. Die anderen entschieden sich für einen Neuanfang. So wie Dietmar Mengel. "Klar, es war nicht einfach, aber wir haben es gemeinsam geschafft." Nachdem die Flut ihre Spuren hinterlassen hatte, begann das große Aufräumen. "Viele entledigten sich von Keramik und Glas. Das konnte ich nicht mit ansehen", erzählt Mengel.
Also hieß es zusammen, brauchbare Teller und Gläser auszusortieren. Heute sind die Leute im "Vergissmeinnicht" froh darüber. Denn bei Feierlichkeiten steht das Geschirr, was einst keiner mehr wollte, allen zur Verfügung. Aber es gab auch finanzielle Hilfe für Bitterfelder Kleingärtner. Es waren Mittel zur Instandsetzung der vom Hochwasser geschädigten Infrastruktur vom Landesverwaltungsamt Halle. 367 000 Euro reichte die Stadt allein an die betroffenen Schrebergartenvereine weiter, teilt die Stadtverwaltung mit. Zu den betroffenen Anlagen gehörte auch die "Goldene Aue". Schirmers mussten ihr Wohnzimmer räumen. So nennt das Ehepaar liebevoll ihren Garten. 1,60 Meter hoch stand das Wasser. "Es war für uns ein großer Schock", erinnern sich Renate und Jürgen Schirmer. "Den haben wir überwunden. Es musste schließlich weitergehen." Sich vom zweiten Zuhause zu verabschieden, kam den Schirmers nie in den Sinn. "Schließlich waren wir nicht allein." Es traf viele, sehr viele.
Die Zeit hat Wunden geheilt. Geblieben sind Erinnerungen und Fotos über die es den Betroffenen nach zehn Jahren leichter fällt zu reden. "Der Abstand ist da", meint Torsten Spichale. Heute würde er nie wieder auf einer Luftmatratze rudernd im Garten nach dem Rechten sehen. Das ist sicher.