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Hilfe für einen neuen Anfang

Von CHRISTINE KRÜGER 16.09.2009, 20:05

BITTERFELD/MZ. - "Zerrissen - Kinder als Opfer häuslicher Gewalt" - so ist eine Ausstellung überschrieben, die vom Sozialministerium, dem Landeskriminalamt und der Landesinterventionsstelle erarbeitet wurde. Untergliedert in Information, Intervention und Prävention, berichtet sie auch über problematische junge Beziehungen, die Opferhilfe durch den Weißen Ring sowie das Netzwerk der Hilfsangebote.

Der Verein Frauen helfen Frauen, zu dem auch das Frauenhaus in Wolfen gehört, hat dieses Thema in die Schule gebracht. "Uns ist es wichtig, dass es eine breite Öffentlichkeit erreicht", macht Ines Chlebowski, Koordinatorin im Frauenhaus Wolfen, deutlich. "Gewalt in der Familie gibt es in allen gesellschaftlichen Schichten." Die Mitarbeiterinnen der Einrichtung wissen, wovon sie reden. Acht Plätze bietet das Wolfener Haus für Frauen mit ihren Kindern. Im Frauenhaus Köthen gibt es weitere vier. "Unser Haus", sagt Ines Chlebowski, "ist immer belegt. Das zeigt, wie wichtig das Angebot ist."

Für Schüler einer zwölften Klasse findet am Donnerstag der Sozialkundeunterricht in der Aula statt. Thema ist der Inhalt der Ausstellung. Ines Chlebowski und ihre Mitarbeiterin Christel Böttcher erläutern die Schautafeln, sprechen über ihre Erfahrungen, die sie tagtäglich machen und berichten von der Hilfe für die betroffenen Frauen, damit sie im Alltag neu Fuß fassen können: Durchschnittlich sieben Jahre ertragen die Frauen psychische und körperliche Gewalt, bevor sie Hilfe suchen. Rund 600 000 Straftaten in diesem Bereich werden in Deutschland jährlich angezeigt, die Dunkelziffer indes liegt weitaus höher. Das berührt auch die Schüler irgendwie. "Wer weiß das schon? Die Zahlen sind schon ziemlich beeindruckend", sagt Robby Rynek.

Auch Heiner Lindstedt, Außenstellenleiter Anhalt-Bitterfeld des Opferverbandes Weißer Ring, berichtet. Schätzungsweise jede dritte bis vierte Frau ist von häuslicher Gewalt betroffen. Deshalb plädiert er leidenschaftlich dafür, dass die Frauenhäuser erhalten bleiben. Der Rotstift des Finanzministers, so Lindstedt, dürfe nicht bei den Schwächsten angesetzt werden.

In Sachsen-Anhalt ist vorgesehen, pro Landkreis künftig nur noch ein Frauenhaus staatlich zu fördern. 250 000 Euro will das Land so künftig bei der Finanzierung der Frauenhäuser einsparen. Betroffen wären damit sechs Einrichtungen in fünf Landkreisen. Derzeit unterstützt das Land die Arbeit des Wolfener Hauses mit 84 000 Euro, weitere Zuschüsse kommen von der Stadt Bitterfeld-Wolfen und dem Landkreis, zudem müssen auch die dort vorübergehend wohnenden Frauen eine Gebühr zahlen. 135 000 Euro braucht die Einrichtung im Jahr, um "auf sehr sparsamem Niveau" über die Runden zu kommen.

"Wir sollten nicht fragen, was kostet ein Frauenhaus. Die Frage muss lauten: Was kostet uns Gewalt" steht in großen Buchstaben auf einer Stuhllehne. Tatsächlich sind die Folgekosten, nämlich die für den Verdienstausfall, für die medizinische Behandlung, für den Polizei- und Justizaufwand enorm. Sie gehen in die Milliarden.