Hartz-IV-Empfänger in Anhalt-Bitterfeld Hartz-IV-Empfänger in Anhalt-Bitterfeld: Raus aus der Wohnung weil sie zu groß ist

Bitterfeld - Immer wieder müssen sich Hartz-IV-Empfänger im Landkreis Anhalt-Bitterfeld eine kleinere Wohnung suchen. Das kommunale Jobcenter Anhalt-Bitterfeld (KomBA) legt ihnen einen Umzug nahe, wenn ihre Räumlichkeiten einen „angemessenen“ Rahmen überschreiten. Die konkreten Werte schreibt eine Richtlinie vor, die die sogenannten Kosten der Unterkunft (KdU) für Hartz-IV-Empfänger im Landkreis regelt. Eine Bedarfsgemeinschaft mit zwei Personen benötigt in Bitterfeld-Wolfen zum Beispiel eine Wohnung, die maximal 60 Quadratmeter groß und ist höchstens 356,40 Euro an Kaltmiete kostet. Nur dann erstattet das Jobcenter die Wohnungskosten komplett.
Etwa 50 bis 100 Leistungsempfänger zogen wegen dieser Vorgaben zuletzt jährlich in ABI um. „Natürlich können Leistungsempfänger sagen, dass sie den Teil der darüber liegenden Miete selbst übernehmen“, erklärt Sylvia Jacobshagen, die beim Jobcenter den Bereich Leistungsgewährung leitet. „Wir zwingen niemanden.“ Doch sitzen sie zum Beispiel auf Schulden, sei deren Draufzahlen dem Amt schwer zu vermitteln.
Meist freiwilliger Umzug
Wer jenseits der Angemessenheitsvorgaben lebt, muss mit Kürzungen rechnen und Teile der Miete selbst bezahlen. In solche Fällen empfiehlt das Jobcenter einen Umzug. „Der Großteil der Wohnungswechsel geschieht dabei aus freien Stücken“, bilanziert KomBA-Vorstand Volker Krüger. „Bei über 11.000 Bedarfsgemeinschaften ist die Zahl dieser Umzüge jedoch kein Problem.“
Dass die Zahlen 2014 deutlich höher lagen und vergangenes Jahr wieder niedriger ausfielen, liegt laut Jobcenter an geänderten Vorgaben. Denn die Angemessenheitswerte, aufgeschlüsselt nach Kommunen, sind erst wenige Jahre alt. Das Jobcenter kann sie erst seit Kurzem anwenden, habe aber mittlerweile „viele Fälle abgearbeitet“.
Wie es dazu kommt, dass die Menschen nicht (mehr) angemessen wohnen, hat unterschiedliche Gründe. Manchmal sind die Personen arbeitslos geworden. In diesem Fall erhalten die Betroffenen laut KomBA-Angaben eine Karenzzeit von sechs Monaten, um sich eine kleinere Bleibe zu suchen. Erst danach kürze die Behörde den Wohnungszuschuss.
Fläche wird pro Person berechnet
In anderen Fällen sind die Kinder aus dem Haus ausgezogen oder der Partner nach einer Trennung. In beiden Fällen reduziert sich die vom Jobcenter festgelegte angemessene Wohnfläche und Miete für den Betroffenen. So sinkt die Fläche um zehn Quadratmeter mit jeder Person, die den Haushalt verlässt.
Die Behörde prüft dabei stets, ob sich ein Umzug rechnet. Überschreiten die Mieter die Angemessenheit nur knapp, könnte das Amt auch mehr bezahlen als die KdU-Richtlinie vorgibt. Damit beispielsweise anfallende Umzugskosten den Einspareffekt für die Behörde nicht verpuffen lassen.
Zumal das Angebot an günstigen Wohnungen geschrumpft ist. Denn derzeit sucht und nutzt der Landkreis Anhalt-Bitterfeld seinerseits verstärkt leere Wohnungen – für Flüchtlinge. „Dadurch entsteht automatisch eine Konkurrenz-Situation“, erklärt KomBA-Vorstand Krüger. „Aber wir haben noch ausreichend angemessenen Wohnraum“, versichert er. Das wisse die Behörde durch Marktbeobachtung und den Blick auf Portale wie Immobilienscout24.de. Zudem gibt es laut Krüger bei der Suche nach Wohnungen ständige Absprachen mit dem Landkreis.
Derzeit arbeitet die KomBA an einer Aktualisierung der KdU-Richtlinie. Sie könnte zum April 2016 in Kraft treten. „Ob sich die Angemessenheitswerte dann nach oben oder nach unten ändern, ist aber noch unklar“, sagt Jacobshagen. Für die neuen Werte hat die KomBA ein Ausschreibeverfahren gestartet. Dabei nimmt nach Angaben der Bereichsleiterin ein Drittanbieter eine komplette Mietwerterhebung für den Landkreis vor. „Das ist noch aussagekräftiger als ein Mietspiegel.“ (mz)