Großer Stern bei Schwemsal Großer Stern bei Schwemsal: Eine Kreuzung für die Jagd

Schwemsal - Der Große Stern wird erst aus der Vogelperspektive in seiner vollen Pracht erkennbar. Sechs sich treffende Waldwege bilden zwischen den Dörfern Krina, Schwemsal, Rösa, Schköna eine besondere Wegegabelung. „Die Wege am Stern haben eine historische Bedeutung als Ortsverbindungen“, weiß Axel Mitzka, Vorsitzender des Vereins Dübener Heide. Viele Bewohner benutzten die Pfade einst, um in die benachbarten Dörfer zu gelangen.
Aber auch optisch hat der Stern Seltenheitswert in den Wäldern zwischen Bitterfeld und Wittenberg. „Etwas Vergleichbares gibt es hier nur in Form der Siebenarmsäule bei Eisenhammer“, sagt Mitzka. Der Große Stern sei zudem auch überregional bekannt. Wanderer kreuzen ihn, wenn sie den Lutherweg oder den Heideringweg benutzen.
Sächsische Kurfürsten auf der Jagd
Vor 200 bis 300 Jahren war die Kreuzung allerdings noch kein Ort zum Spazierengehen. Denn dort tauchten im 18. Jahrhundert regelmäßig sächsische Kurfürsten mit Gewehren auf und jagten Rehe, Wildschweine und weitere Wildtiere. Zu diesen Ereignissen hat Bernd Bendix recherchiert. Der 69-jährige Söllichauer war von 1992 bis 2005 Leiter des Staatlichen Forstamtes in Tornau.
Er kennt die Heide-Wälder, hat auch zu deren Geschichte geforscht und dazu Bücher geschrieben. „Der Große Stern war ursprünglich keine Handelsroute und auch kein Knotenpunkt von Wanderpfaden, sondern diente vorwiegend für die Jagdleidenschaft des kursächsischen Hochadels.“
Die extra dafür in den Wald geschlagenen Schneisen vereinfachten die Sicht auf das zu jagende Wild. „Vom Zentrum des Sterns aus konnten die Herrschaften diese Sichtkorridore gut überblicken“, erklärt Bendix. Allein für diesen Zweck sei der Große Stern im 18. Jahrhundert angelegt worden. Die Dübener Heide gehörte schließlich zum Hofjagdgebiet für die sächsischen Kurfürsten. Ob auch August der Starke am Großen Stern bei Schwemsal stand und seine Flinte in den Wäldern führte, ist nicht überliefert, aber anzunehmen.
Wer eins zur Jagd alles auf den Beinen war und wohin die Beute dann ging, erfahren Sie auf Seite 2.
Es gab allerdings mehrere Stellen, die bei Jagdausflügen von der Dresdner Hautevolee genutzt wurden. Deshalb gibt es laut Bendix auch mehrere mehrarmige Kreuzungen in den Wäldern rund um Bad Düben und Bad Schmiedeberg. Sie sind noch heute auf Wanderkarten erkennbar.
Großteil der Beute geht nach Dresden
Damit den Jägern damals auch ausreichend Wild vor die Flinte lief, mussten die Tiere zugetrieben werden. Dienstpflichtige Bauern der umliegenden Dörfer agierten dazu als Treiber. Bis zum großen Jagdtag bedurfte es allerdings einer umfangreichen Vorbereitung. „Das war nicht an einem Tag zu erledigen, sondern bedeutete einen riesigen Aufwand. Denn der ganze Hofstaat war auf den Beinen: Forstpersonal, Diener, Kutscher, Köche und viele weitere“, verdeutlicht Bendix. „Bei solchen Jagden wurden oft über 100 Tiere erlegt.“ Ein Großteil der Beute sei dann nach Dresden gebracht worden – ein anderer Teil landete unter anderem im kurfürstlichen Schloss Pretzsch bei Bad Schmiedeberg.
Die Adligen aus dem Elbflorenz residierten während ihrer Ausflüge in den umliegenden Schlössern, darunter im Jagdschloss Weidenhain oder in der Burg Düben, berichtet Bendix. Derweil freuten sich die dortigen Bewohner über den hohen Besuch: „Der niedrige Adel war stolz darauf, die kurfürstlichen Jagdgäste bewirten zu können.“
Wenig erinnert an die Historie
Im 19. Jahrhundert sank laut dem früheren Forstamt-Leiter die Bedeutung dieser Jagden. „Sie waren viel zu aufwendig und auch zu kostspielig.“ Nachdem die Dübener Heide ab 1815 größtenteils als „Provinz Sachsen“ preußisch wurde – das legten die mitteleuropäischen Herrscher auf dem Wiener Kongress fest – wurde die Jagd anders organisiert. Zudem waren dem preußischen Hochadel andere Waldgebiete für das Ausleben ihrer Jagdpassion wichtiger geworden.
Am Großen Stern bei Schwemsal erinnert heute nur wenig an seine Jagdhistorie. „Es wäre aber nicht schlecht, wenn man eine Infotafel aufstellen würde, die Wanderern heute etwas zur Geschichte dieses Forstortes erklärt“, wünscht sich daher Bendix. Auch Mitzka vom Verein Dübener Heide weiß, dass an der Kreuzung noch Potenzial besteht: „Man könnte dort über die Geschichte noch etwas ausführlicher informieren.“ (mz)
