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Fragile Situation Fragile Situation: Bedarfsgemeinschaften bei Komba Anhalt-Bitterfeld 2020 trotz Corona-Krise gesunken

Von Christine Färber 10.01.2021, 08:00
Im Chemiepark bleiben die Lichter an - es wird produziert.
Im Chemiepark bleiben die Lichter an - es wird produziert. André Kehrer

Bitterfeld - Erstaunlich stabil hat sich der Arbeitsmarkt im Corona-Jahr im Landkreis Anhalt-Bitterfeld gezeigt. Im Jobcenter Komba-ABI registriert Vorstand Katja Erxleben gar einen Rückgang an Bedarfsgemeinschaften und erwerbsfähigen Leistungsempfängern. Das kommt angesichts Corona unerwartet.

Gab es im November 2019 im Landkreis 3.681 arbeitslose SGB II-Empfänger, registrierte das Jobcenter im gleichen Monat ein Jahr später 149 Personen weniger. 2020 waren 3.532 Personen als arbeitslos gemeldet und bezogen Hartz IV. Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften geht laut Erxleben seit 2018 kontinuierlich zurück. Im Dezember 2019 lag sie bei knapp 8.000, im November 2020 bei 7.507.

Viel ist hier zwar dem demografischen Wandel zuzuschreiben, weiß sie. Doch sei der Landkreis insgesamt ohne schwere wirtschaftliche Blessuren durch dieses hoch komplizierte Jahr gekommen.

Durchschnittlich 119 Personen konnten monatlich auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert werden

„Fakt ist, dass wir im SGB II-Bereich nicht unbedingt erkennen, dass es massive Einbrüche in der Wirtschaft gab.“ Vor allem begründet sie das mit der hohen Industrialisierung speziell der Bitterfelder Region, wo nahezu alle großen und mittelständischen Unternehmen produzieren, ja, wo es sogar potente Neuansiedlungen beispielsweise mit der Progroup-Papierfabrik und FEV in Sandersdorf-Brehna gab.

Dadurch gäbe es auch Bedarf an Arbeitskräften. Die Rate der Vermittlung von Kunden der Komba sei zwar nicht so hoch wie erhofft, „aber doch da“. Das so genannte Teilhabegesetz, das vor zwei Jahren in Kraft trat, habe seinen Charme entfaltet. Immerhin: Durchschnittlich 119 Personen konnten monatlich von Januar bis November 2020 auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Um das zu erreichen, standen dem Jobcenter vergangenes Jahr rund 14,5 Millionen Euro für unterschiedliche Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung (2021 in ähnlicher Höhe).

Doch der bis jetzt ansehnlichen Bilanz von ABI schiebt die Jobcenter-Chefin ein „Noch“ hinterher

Doch so gut wie für die hiesige Region sieht es für ganz Anhalt-Bitterfeld schon nicht mehr aus. Im Altlandkreis Köthen und im Gebiet um Zerbst stelle sich die Situation anders da, sagt sie. „Aber immerhin noch weitaus besser als anderswo. Beispielsweise im Harz, wo die Tourismusbranche durch die Corona-Krise starke Einbrüche hatte.“

Doch der bis jetzt ansehnlichen Bilanz von ABI schiebt die Jobcenter-Chefin ein „Noch“ hinterher. Denn die Situation mit zwei Lockdowns ist fragil. Das Kurzarbeitergeld habe sich bis jetzt zwar als ein wirksames Instrument auf dem Arbeitsmarkt erwiesen.

„Das hat manchem Unternehmen die Existenz gerettet.“ Und zunächst ist die Regelung bis Mitte 2021 fortgeschrieben. Aber dann? Die Frage stellt sich freilich auch für den Insolvenzschutz. Der endete mit dem Jahreswechsel. „Was wird nun?“ Vor allem die kleineren Firmen, sagt sie, werden das spüren, allen voran in der Gastronomie.

Hinter jedem Unternehmen, das pleite geht, stehen persönliche Schicksale

Hinter jedem Unternehmen, das pleite geht, stehen persönliche Schicksale, Lebensentwürfe. „Viele Mitarbeiter solcher Kleinfirmen sind bei uns ja schon lange so genannte Aufstocker.“ Schwierig ist auch die Situation der Soloselbstständigen: Nur vereinzelt kämen seit Beginn der Coronakrise von ihnen Anträge oder sie würden wieder zurückgezogen.

„Die Hürden sind trotz Gesetzesanpassung hoch“, gibt sie zu. „Vielleicht war das auch eine unglückliche Kommunikation vonseiten des Bundes. So einfach, wie es dargestellt wurde, ist es nicht.“ Und vielleicht sehe es mancher auch als Makel, „zum Amt zu gehen“.

Sämtliche der 300 Mitarbeiter des Jobcenters haben jetzt alle Hände voll zu tun haben - mehr als sonst

Es ist kein Geheimnis, dass sämtliche der 300 Mitarbeiter des Jobcenters jetzt alle Hände voll zu tun haben - mehr als sonst. Mit Beginn des ersten Lockdowns wurde der Fokus auf die pünktliche Leistungsgewährung und Antragsbearbeitung gelegt. Dafür wurden der Service-Bereich personell und technisch aufgestockt und die telefonische Beratung und Antragstellung ausgebaut. „Die Arbeitsvermittler haben bei der Antragsannahme mitgeholfen“, sagt die Chefin, die auf ihr flexibles Team schwört.

Internetauftritt und Telefonie wurden fit gemacht wie nie. Denn auch die Anfragen sind so hoch wie nie. „Das wichtigste ist, das Jobcenter am Laufen zu halten, dass die SGB II Empfänger pünktlich ihr Geld bekommen“, sagt Katja Erxleben, die vor einem Jahr das Jobcenter Komba-ABI übernahm. (mz)

Komba-ABI-Vorstand Katja Erxleben an ihrem Schreibtisch im Jobcenter
Komba-ABI-Vorstand Katja Erxleben an ihrem Schreibtisch im Jobcenter
André Kehrer