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Flüchtlinge nach Notbremsung auf Gleisen unterwegs Flüchtlinge nach Notbremsung auf Gleisen unterwegs: IC-Sonderfahrt wurde zuvor bereits in Sachsen gestoppt

Von Lisa Garn 15.09.2015, 09:54
Flüchtlinge kommen am Bahnhof Flughafen Schönefeld mit dem ICE aus München an, um von dort nach Berlin weiterzureisen.
Flüchtlinge kommen am Bahnhof Flughafen Schönefeld mit dem ICE aus München an, um von dort nach Berlin weiterzureisen. dpa Lizenz

Greppin - Zu einem ungeplanten Zwischenstopp bei einer IC-Sonderfahrt mit mehr als 500 Flüchtlingen ist es am frühen Dienstagmorgen bei Greppin (Anhalt-Bitterfeld) gekommen. Fahrgäste hatten die Notbremse gezogen. Anschließend sprangen rund 60 Asylsuchende aus dem Zug und liefen über die Gleise, teilte die Bundespolizei in Magdeburg mit.

Der Zug war von Bayern in Richtung Berlin unterwegs. „Verfügbare Kräfte aus umliegenden Revieren sowie ein Hubschrauber wurden hinzugezogen, um die Personen zu finden und zusammenzuführen“, sagte Polizeisprecherin Chris Kurpiers. Der Zug fuhr zunächst weiter, in der Nähe von Meinsdorf bei Dessau-Roßlau zogen Reisende dann aber ein zweites Mal die Notbremse. Erneut verließ eine bisher unbekannte Zahl von Personen den Zug. Die Strecke war von 8 bis kurz nach 9 Uhr gesperrt.

Sammelstellen für Flüchtlinge

Für die wieder aufgegriffenen Flüchtlinge wurden zwei Sammelstellen im Revierkommissariat Bitterfeld-Wolfen und im Polizeirevier Dessau eingerichtet. Wenige Stunden nach der Notbremsung hatte die Bundespolizei 71 Menschen gefunden und in die Sammelstellen gebracht. Bis zum frühen Nachmittag wurden in der Bitterfeld-Wolfener Station 55 Personen betreut, in Dessau 16. Zwei Busse brachten die Flüchtlinge schließlich zur Registrierung und Erfassung in die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt.

Laut Bundespolizei kamen schließlich 339 Flüchtlinge und Einwanderer in Schönfeld an, rund 180 Menschen weniger als ursprünglich erwartet. 147 von ihnen wurden mit Bussen nach Berlin in eine Unterkunft in einer Sporthalle auf dem Olympiagelände gefahren. Die anderen kamen nach Potsdam.

Zug stoppt zuvor auch in Sachsen

Der Grund für die Notbremsungen und das Verlassen des Zuges blieb zunächst unklar. Womöglich wollten sie sich der Registrierung entziehen oder nicht in Berlin untergebracht werden. Der Zug war nach Angaben der Bundespolizei nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern zuvor auch einmal in Sachsen gestoppt worden. Ganze Gruppen von Menschen hätten dann jeweils den Zug verlassen. Dies hätten mitfahrende Bahnmitarbeiter berichtet.

„Uns wurde erzählt, dass die Menschen Angst hatten, mit dem Zug in ein Gefängnis gefahren zu werden“, sagte Peter Ziehm, Leiter des Revierkommissariats Bitterfeld-Wolfen. Dort wurden die Flüchtlinge mit Hähnchen, Brötchen und Mineralwasser sowie aus der Kantine des Kommissariats versorgt. Zudem war das Rote Kreuz im Einsatz. Zwei Personen mit Schwächeanfällen mussten behandelt werden. „Wir haben die Menschen dann darüber aufgeklärt, was weiterhin geschieht, wohin es für sie geht und was dort gemacht wird. Sie waren absolut nett, kooperativ und sehr dankbar.“ Polizisten begleiteten dann die Busse auf der Fahrt nach Halberstadt.

Stahlknecht kritisiert Stopp scharf

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hat den Stopp des Sonderzuges auf freier Strecke derweil scharf kritisiert. „Es kann nicht angehen, dass Flüchtlinge die Notbremse ziehen und aussteigen, wo sie wollen.“ Für eine ordnungsgemäße Aufnahme der Asylsuchenden „brauchen wir eine Registrierung und Erfassung“.

Nach Angaben des Ministers konnten mit Hilfe eines Hubschraubers alle Flüchtlinge, die den Zug verlassen hatten, wieder aufgegriffen werden. Die genaue Zahl der Asylsuchenden, die bei Meinsdorf aus dem Zug sprangen, konnte die Bundespolizei allerdings nicht nennen. Der dortige Fahrdienstleiter der Bahn hatte von etwa 15 Flüchtlingen gesprochen.

Zug wird umgeleitet

Der Sonderzug war nach Angaben des Berliner Senats zuvor umgeleitet worden. Er sollte ursprünglich nach Sachsen fahren. Dort habe man signalisiert, keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen zu können. Berlin und und das Land Brandenburg hätten sich daraufhin spontan dazu bereiterklärt.

Bekannt ist, dass ein Teil der Flüchtlinge eigentlich nach Skandinavien will. Deshalb wollen sie die Registrierung als Asylbewerber in Deutschland umgehen. Etliche haben andere deutsche Städte als Ziel, weil dort Verwandte leben. Eine Mitarbeiterin der Berliner Landesbehörden berichtete von Zug-Ankünften in den vergangenen Tagen: „Viele haben uns nach der Ankunft bestürmt und wollten direkt weiter fahren.“ Inzwischen empfange aber die Bundespolizei die Flüchtlinge. Das habe sich wohl herumgesprochen. „Die meisten sind extrem gut vernetzt und informiert und wissen über Smartphones genau, was gerade wo passiert“, sagte die Sprecherin. (mz)