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Ferienlager Ferienlager: Eine mobile Klinik am Friedrichsee

Von Corinna Nitz 09.07.2002, 11:30

Rotta/MZ. - Dominique quengelt. Er hat Durst. Kein Wunder angesichts der schweißtreibenden Temperaturen, die selbst im Wald das Quecksilber noch in die Höhe schießen lassen. Doch der Griff zu Mineralwasser oder Eistee - für jeden anderen eine Selbstverständlichkeit - ist für Dominique tabu. Der Fünfjährige ist nierenkrank. Schlimmer noch: Er ist dialysepflichtig.

Mediziner haben ausgerechnet, dass er pro Tag nur 500 Milliliter Flüssigkeit zu sich nehmen darf. Und während sie selbst zum erfrischenden Getränk greifen, wachen die Erwachsenen penibel darüber, dass Dominique sein Limit nicht überschreitet. Ausnahmen werden nicht geduldet, nicht einmal in den Ferien, wo es doch normaler Weise immer Ausnahmen gibt.

Die Reise ins Kinder- und Erholungszentrum (Kiez) am Friedrichsee bei Rotta im Landkreis Wittenberg, an der auch Dominique teilnimmt, hat die Berliner Charité organisiert. Die einzige Klinik in Deutschland, die das für ihre kleinen Nierenpatienten macht, berichtet Ingrid Hirte. Sie ist die Psychologin im Team und geduldige Trösterin, wenn''s mal irgendwo klemmt. Im Moment wiegt sie den durstigen Dominique, der gleich zur Blutwäsche muss, auf ihrem Schoß hin und her.

Von den 45 Kindern, die zehn Tage im Kiez Urlaub machen, haben einige bereits eine Organtransplantation hinter sich. Oder sogar zwei, wie Marc. "Am 31. August 2001 habe ich die zweite neue Niere bekommen", erklärt der Elfjährige auf dem Weg zum bonbonfarbenen Liebesbriefkasten, durch den die Korrespondenz der Kinder läuft.

Anders als Marc sind noch zehn der kleinen Urlauber dialysepflichtig und warten auf eine Spenderniere. Drei Mal in der Woche muss ihr Blut gereinigt werden. Zu diesem Zweck sind neben immensen Tablettenvorräten auch zwei Geräte für Hämodialysen mit auf die Reise gegangen. Ein Bungalow im Kiez wurde zur Klinik umfunktioniert. Im Drei-Schicht-System - von morgens sieben bis abends 22 Uhr - arbeiten dort ein Techniker, zwei Dialyse-Schwestern und die Ärztin Miriam Zimmering.

"Der Aufwand ist groß", sagt die Medizinerin, betont aber, "dass es ein großes Erlebnis für die Kinder ist", die normalerweise nicht ohne ihre Eltern verreisen könnten. Was zudem nicht unterschätzt werden soll, sei der Lerneffekt für diejenigen, die bislang von der Dialyse verschont wurden, aber daran vorbei kommen. Hier können sie in einer angenehmen Umgebung schon mal sehen, wie tapfer andere Kinder die Prozedur aushalten. Miriam Zimmering: "Was die Kinder hier lernen, ist mehr wert als hundert Aufklärungsgespräche." Und Aufklärungsbedarf gibt es reichlich. Etwa über die Flüssigkeitsmengen. Dass Dominique nur einen halben Liter täglich trinken darf, liege daran, dass er nicht mehr ausscheidet, erklärt Ingrid Hirte. Die Tücke liegt dabei nicht in dem Glas Wasser, sondern in der Flüssigkeit, die auch in Lebensmitteln wie Obst und Gemüse enthalten ist. Nichts darf da unberücksichtigt bleiben.

Auch nicht der Gang zur Waage vor jeder Dialyse. 16,5 Kilo misst die bei Dominique an diesem Tag, bevor Frau Hirte ihn auf den Stuhl setzt. Die Zeit, bis er an die Maschinen angeschlossen wird, vertreibt er sich mit der Fernbedienung, die Höhe und Neigung des Stuhls steuert. Das ist das wie Karussell fahren, und darüber vergisst auch der Fünfjährige endlich seinen Durst.