Evangelische Gemeinde Bitterfeld Evangelische Gemeinde Bitterfeld: Gute Seele vom Lutherhaus geht in Ruhestand

Bitterfeld - Sonja Teutschbein hat alle Hände voll zu tun. Wie das eben so ist, wenn einer in den Ruhestand geht. Da ist noch einiges abzusprechen, Tipps zu geben, Aufgaben weiterzuleiten.
Am Sonntag ist die Hausmeisterin und Wirtschaftsleiterin des Lutherhauses in Bitterfeld während des Gottesdienstes dort verabschiedet worden. Und sie geht wie viele, deren Herz an ihrer Arbeit hing: mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie sie sagt.
Seit 22 Jahren war das Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde in der Bitterfelder Binnengärtenstraße ihr berufliches Zuhause. Die zierliche Frau mit den handwerklich so geschickten Händen, in denen Reparaturen und Instandhaltungen, Garten- und Hofpflege, Reinigungsarbeiten und vieles mehr lagen, lacht.
74 Fenster putzen? Kein Problem
Ja, irgendwie war das so. Wasserhahn und Abflussrohr reparieren? Zaun streichen, Sträucher verschneiden? 74 Fenster putzen? Kein Problem. „Aber nicht das Technische ist das Wichtigste“, sagt sie, „sondern das Gesamtmanagement für das Haus. Dass alles so lief wie es lief.“
Dazu gehört freilich viel mehr als dass alles picobello sauber ist und funktioniert. Dazu gehört eben auch, dass Veranstaltungen stattfinden können und jeder Gast nicht nur einen Stuhl hat sondern auch der kleine Löffel nicht fehlt. Und dazu gehört auch, dass man sich rein menschlich versteht.
Und das hat mit den Ehrenamtlichen aus der Gemeinde super gepasst. „Vor allem, nachdem sich die Gemeinde keine weiteren Beschäftigten mehr leisten konnte und wir dann auch keine Hilfskräfte vom Arbeitsamt mehr bekamen. Das war für mich ganz wichtig: Die Ehrenamtlichen waren eben da.“
Viele Bilder kommen ihr in den Sinn. Erinnerungen. Einer der Männer zum Beispiel, erzählt sie fröhlich, habe immer gesagt: Machen Sie drin, ich mach draußen. „So ein Haus funktioniert ja nur, wenn alles zusammenläuft.“
„Die Leute treffen sich, erinnern sich, freuen sich, haben etwas zu erzählen. Das ist so wunderbar“
Die Liste der Highlights, die sie während ihrer Zeit als Mitarbeiterin im Lutherhaus miterlebt hat, wird mit jeder Minute länger: die Gemeindefeste jeden September, die Adventsbasare, die Empfänge für die Ehrenamtlichen, die Feste um die Kirche, das Reformationsjubiläum, die Jubelkonfirmationen, der Sachsen-Anhalt-Tag in Bitterfeld, die Kinder-Bibeltage in den Winterferien, die so richtig fröhlich-lautes Leben brachten und vieles mehr. „Das ist das, was so ein Haus am Leben hält“, sagt sie. Ja, und auch das, wofür ein Großteil der Organisation und Betreuung in ihren Händen lag, bestätigt: Nicht das Technische ist das Wichtigste. „Die Leute treffen sich, erinnern sich, freuen sich, haben etwas zu erzählen. Das ist so wunderbar“, sagt sie.
Das wird Sonja Teutschbein nun freilich hinter sich lassen. In ihrem Heimatort Rösa wird sie sich in ihrer Gemeinde nun mehr einbringen können, sagt sie. Überhaupt: Ein ganz neuer Alltag erwartet sie. Jeden Tag halb sieben morgens im Auto Richtung Bitterfeld? Das ist Geschichte. Jetzt ist Zeit für die Familie, für die Hobbys, für die beiden Enkelkinder, auf die sie so stolz ist. Und auch für Camping. Das ist Urlaub für sie und ihren Mann. Seit vielen Jahren - und das Heimatland bietet für sie noch immer unentdeckte Flecken, meint sie lächelnd.
Dass sie jemals Hausmeisterin werden würde, hätte sie wohl selbst nicht gedacht. Man kann es Tribut an die Zeit nennen, die in den 90er Jahren Wertigkeiten neu geordnet, Lebensumstände vieler Menschen grundlegend verändert hat. Auch Sonja Teutschbein, Chemieingenieurin im CKB, war wie Tausende hier betroffen. „Wir waren ja gut ausgebildet - auch in technischen Dingen. Aber mit 40 zu alt“, sagt sie. „Die wollten nur die jungen Leute.“ Im Kirchen-Gemeindeblatt stieß sie dann auf die Lutherhaus-Annonce.
Bald wird der evangelische Pfarrbereich Bitterfeld sein traditionsreiches Lutherhaus aufgeben
Im Laufe der Zeit hat die Kirchengemeinde einige Aufgaben, die Sonja Teutschbein jahrelang erledigt hat, an Firmen übergeben. Das Fensterputzen zum Beispiel, den Grünschnitt, die Parkettpflege. Und bald, das ist bereits beschlossen, wird der evangelische Pfarrbereich Bitterfeld sein traditionsreiches Lutherhaus aufgeben.
Denn längst ist das Gebäude, das vor 90 Jahren als dringend benötigtes Gemeindezentrum erbaut wurde, zu groß geworden für die Gemeinde, der Unterhalt letztlich zu teuer. Doch noch einmal wird so richtig viel Leben einziehen in die Gemeinderäume. Dann, wenn die Musikschule saniert wird. Die Schüler werden einen Teil des Unterrichts im Lutherhaus absolvieren. (mz)