"Ein verrücktes Jahr" "Ein verrücktes Jahr": Wie sieht Bilanz von Zörbigs Bürgermeister Matthias Egert aus?

Zörbig - 2020 war ein Ausnahmejahr, auch in Zörbig. Für den 2019 gewählten Bürgermeister Matthias Egert (CDU) wurde es zur ersten Probe, kein Jahr nach seinem Amtsantritt. Wie er auf diese Monate zurückblickt und was noch kommt, darüber sprach Andrea Dittmar mit ihm.
Wie schauen Sie auf das vergangene Jahr zurück?
Wie schauen Sie auf das vergangene Jahr zurück?
Matthias Egert: Es war ein verrücktes Jahr. Einerseits bin ich ganz dankbar, weil wir auf eine Art und Weise aufeinander zurückgeworfen wurden, wie wir uns es nicht hätten vorstellen können. Dass wir wegen alten oder gefährdeten Personen unser Leben so einschränken würden, hätte niemand gedacht.
Auf der anderen Seite muss ich auch sagen: Nach einem halben Jahr als Bürgermeister gleich in so etwas reingeworfen worden zu sein, ist eine ganz große Herausforderung gewesen. Und deswegen bin ich dankbar für alle, die gesagt haben, sie nehmen sich die Zeit, aber auch für alle, die die Einschränkungen ertragen haben. Wenn ich an die Unternehmer denke, die jetzt noch bangen müssen, wenn ich an all die Eltern mit ihren Kindern und die Lehrer denke. Aber auch wenn ich an meine Mitarbeiter denke, die sich hingesetzt und gesagt haben: Wie gehen wir das jetzt an? Es ist eine unglaubliche Dynamik entstanden.
Die Pandemie hat auch zusammengeschweißt: Wir haben so schnell ein Helfernetzwerk aufbauen können. Wir wurden auch angefeindet, wenn wir dieses Jahr mal mutig waren und Feste im Stadtgebiet gefeiert haben.
Haben Sie Erinnerungen an die Zeit vor Corona?
Matthias Egert: Es ist, wie wenn man ein Kind bekommen hat: Die Zeit davor kann man sich gar nicht mehr so richtig vorstellen, als es nicht da war. Wir hatten den Haushalt auf dem Tisch und einen Jahresplan, wussten, was wir machen müssen. Und dann wurden wir überrannt.
Wann hatten Sie das Gefühl, jetzt wird es ernst?
Matthias Egert: Eigentlich schon ziemlich früh, weil ich nicht der Meinung war, dass sich die ganze Welt auf so eine Sache einstellen kann, wenn es nicht etwas Ernstes ist. Wir wurden im Frühjahr als Gemeinde ziemlich verschont, es war aber ein Paukenschlag, als dann die ersten Krankheitsfälle aufgetreten sind im Stadtgebiet. Da haben die Leute gemerkt: Jetzt ist es bei uns.
„Es war genauso wichtig, zwischen all dem Schutz ein paar Lichtblicke zu setzen“
Sie würden also sagen, die Stadt ist gut durch die erste Welle gekommen?
Matthias Egert: Wir waren verschont, das denke ich schon. Wir hatten trotzdem die Notbetreuung, die wir aufrechterhalten mussten, Geschäfte, die geschlossen waren. Es gab viele Ordnungsdienste, die unterwegs waren. Durch diese mussten wir steuern, dass sich nicht zu viele Leute treffen.
Und weil wir verschont geblieben sind, waren wir auch mutig, als es um die Frage ging, ob wir wieder Feste veranstalten können. Wir hatten acht größere Veranstaltungen – es war genauso wichtig, zwischen all dem Schutz ein paar Lichtblicke zu setzen.
Trotz Corona haben Ortschafts- und Stadtratssitzungen stattgefunden. Sie sind CDU-Bürgermeister, größte Fraktion im Rat ist die Freie Wählergemeinschaft. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Matthias Egert: Ganz gut, denn grundsätzlich ist man auch persönlich mit den Leuten im Gespräch. Man kann anrufen, reden, da stehen die Parteien nicht so im Vordergrund. Viele der Projekte, die Bürgermeister Rolf Sonnenberger noch angeschoben hat, habe ich gerade noch in der Umsetzung oder sie laufen jetzt aus.
Dadurch, dass wir uns immer gut abstimmen, Fraktionsvorsitzenden-Runden haben und mit den Fraktionen sprechen, gehen neue Projekte relativ gut durch. Man spricht nicht nur im Stadtrat, sondern auch außerhalb. Das Jahr war nicht geprägt von Clinch gegeneinander, sondern von einem guten Miteinander getragen. Na klar gab es das ein oder andere, wo sie zeigen mussten, wer die Mehrheit hat, ich mich jedochr gefragt hatte, ob das zum Vorteil war. Das habe ich aber offen angesprochen und gesagt, dass ich anderer Meinung bin.
Am Ende bin ich aber als Bürgermeister derjenige, der mit der Verwaltung umsetzt, was der Stadtrat möchte. Die Neutralität haben wir zueinander in der Sache. Am Ende geht es um die ganze Stadt und nicht um Partei-Kleinklein.
Abgesehen von den Festen, gab es Ereignisse, die erfreulich für Zörbig waren?
Auf welche Projekte sind Sie stolz?
Matthias Egert: Eines, das mich total begeistert hat, war das Nähen der Schnutentücher, weil wir das so schnell aus dem Boden gestampft haben. Viele Leute haben Stoff gespendet und genäht. Auch die Spendenaktionen sind sehr gut angelaufen: Unser Saftjunge ist gerade in der Umsetzung, wir haben 15 Bäume aus Spenden pflanzen können.
Es gab Projekte im Großen und Kleinen, aber es war alles von Erfolg gekrönt, was wir angefasst haben.
Abgesehen von den Festen, gab es Ereignisse, die erfreulich waren?
Matthias Egert: Natürlich war die Geburt meiner Tochter das Schönste, was 2020 passiert ist.
Was ich in der Stadt toll fand, ist, dass wir mit den Projekten, die wir angestoßen haben, gut vorangekommen sind. Es ist ein Jahr, das wie am Fließband vorbeigegangen ist. Es gab nicht wirklich einen Stillstand, wo man sich hinsetzen und sagen konnte: Das ist jetzt gut gelaufen. Normalerweise ist es für einen Bürgermeister ja so: Du hast ein Problem abgearbeitet, dann kommen drei, vier neue.
Was spricht denn für Zörbig als Lebens- und Standort?
Was steht 2021 an?
Matthias Egert: Die ganzen Baumaßnahmen werden endlich vorankommen, die wir schon so lange machen wollen. Für die Baustelle in der Radegaster/Stumsdorfer Straße liegen die Pläne im Rathaus aus, wir hoffen, dass es keine großen Einsprüche geben wird. Danach kann das Ganze in die Genehmigungsplanung gehen, sodass dann endlich angefangen wird zu bauen. Wir haben eine Interimslösung für die Feuerwehrstraße vergeben. Dort wird die Ausfahrt modelliert und asphaltiert, sodass die Überfahrt dann sicherer ist. Wenn die Radegaster Straße ausgebaut wird, werden wird dort auch alles anfassen müssen. Dann stehen die Bagger einmal und wir können hoffentlich die Synergien nutzen. Es sollen fünf Abschnitte und damit ein richtig langer Bauprozess werden.
Sowieso stehen viele Bagger in der Stadt: Das Aktuarhaus wird umgebaut, wir werden den Radweg zwischen Stumsdorf und Zörbig bauen. Wir werden die ehemalige Löberitzer Landgaststätte weiter gestalten, genauso wie das Hortnebengebäude.
Wir müssen gucken, was wir mit den Feuerwehren in Salzfurtkapelle und Schortewitz machen. Dort werden wir in die Planungen reingehen und hoffentlich Ende des Jahres anfangen, dort zu bauen. Dort brauchen wir neue Feuerwehrhäuser.
Gerade überlegen wir, wie wir das Strukturstärkungsgesetz für uns nutzen können, ob wir an die Fördermittel, die dort bereitstehen, herankommen. Ich denke, es wird viel geplant werden, wie wir in den Ortsteilen weiterarbeiten. In Wadendorf wollen wir die Entwässerung optimieren und dafür Geld in die Hand nehmen. Auch der Breitbandausbau wird ein Thema sein, genauso wie die Instandsetzung von Gehwegen in verschiedenen Ortsteilen.
Die Prognosen lauten, dass die Gemeinde bis 2030 um knapp 1.500 Einwohner schrumpft. Was spricht denn für Zörbig als Lebens- und Standort?
Matthias Egert: Wenn wir den Prognosen Glauben schenken würden, hätten wir heute keine Sekundarschule und keine Grundschule in Löberitz mehr. Dann hätten wir deutlich weniger Ärzte und wären längst unter 8.000 Einwohnern. Dadurch, dass wir hier eine lebendige Vereinslandschaft haben, Ärzte haben, dass man fußläufig oder mit dem öffentlichen Nahverkehr wohin kommt, dass wir Kinderbetreuung aus einer Hand anbieten – sind die Leute hier gern. Breitband wird dabei ein Thema sein, dass uns verfolgt, denn ohne zieht niemand hierher.
Aber wenn ich jetzt sehe, wie nachgefragt unser Bauland ist, denke ich: Wir sind attraktiv als ländlicher Raum. Wir können viel verbinden, was die Städte nicht können: Bei uns kann man ökologisch und ökonomisch leben, etwa die Photovoltaikanlage auf das Dach bringen und die Erdwärmepumpe in den Keller. Hier kann ich meine Kinder an die Fuhne schicken zum Spielen und sie kommen wohlbehalten zurück. Es ist ein ländliches Idyll und trotzdem nicht weit bis in die Großstädte. (mz)